Im aktuellen Produkttest des Verbraucherportals expertentesten.de wurden in Summe 20 verschiedene Baby- und Kleinkinderprodukte getestet.
Darunter fielen neben gängigen Spielzeugen auch Produkte des täglichen Bedarfs wie etwa Bettwäsche oder Lätzchen. Von Markenprodukten aus Deutschland bis hin zu in China produzierten No-Name-Artikeln haben wir mit unserer Produktauswahl bewusst die gesamte Preispalette abgebildet.
Die zum Teil verheerenden Ergebnisse und alle damit verbundenen Hintergründe erläutern die nachfolgenden Zeilen.
Ein Ergebnis, das zu Wünschen übrig lässt: 50 % aller getesteten Produkte sind mit einem oder mehreren Schadstoffen belastet!
Zu den mit Schadstoffen belasteten Produkten zählen unter anderem die Motorikrassel von Hess oder auch das Schnorchelset der Firma Aqua Lung. In beiden Produkten wurde das kanzerogene Phthalat Diethylhexylphthalat (DEHP) nachgewiesen. Die Firma Hess fiel in Produkttests der Stiftung Warentest bereits im Jahre 2013 schon mit zwei Produkten auf, die in ihren Lacken ungewöhnlich hohe Organzinnverbindungen aufwiesen.
In vielen weiteren Produkten wurden Azofarbstoffe und/oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die ebenfalls als krebserregend gelten, nachgewiesen. Außerdem stehen sämtliche Schadstoffe in Verdacht die Fortpflanzungsfähigkeit einzuschränken oder sogar das Erbgut nachhaltig zu schädigen.
Das Gesundheitsrisiko ist dann besonders hoch, wenn die Produkte direkt mit der Haut in Kontakt kommen oder sogar in den Mund genommen werden. Bei Kinder- und Babyprodukten ein gängiges Prozedere.
Schadstoffe in Kinder- und Babyprodukten sind ein absolutes No-Go!
Für uns gibt dieses Ergebnis dringenden Anlass zur Diskussion. Die Frage, die sich diesbezüglich stellt: Dürfen Schadstoffe, wenn auch in geringen Mengen, überhaupt in Kinderspielzeugen vorhanden sein oder ist es an der Zeit sich für vollkommene Schadstofffreiheit einzusetzen?
Die digitale Handelsplattform eBay hat diesbezüglich bereits klar Stellung bezogen. Wolfgang Weber, eBay Senior Director, äußert sich wie folgt: „Sobald uns eine Behörde [aus dem Bereich der Produktsicherheit] über ein gefährliches Produkt informiert, verbieten wir es auf allen eBay Marktplätzen weltweit und zwar unabhängig von der jeweiligen lokalen Rechtslage.“
So verwundert es auch nicht, dass expertentesten.de ebenso wie andere Verbraucherportale bei Baby-und Kinderprodukten besonders strenge Grenzwerte festlegen. Beispielhaft setzt expertentesten.de den Grenzwert für PAKs bei 0,2 mg/kg an, wohingegen der gesetzliche Grenzwert in Deutschland mit 1 mg/kg bei Gegenständen in direktem Hautkontakt definiert ist (s. REACH Anhang XVII Nr. 50 Ergänzung (Verordnung EU Nr. 1272/2013). Das ist auch die Erklärung dafür, dass zwar alle getesteten Produkte die gesetzlichen Grenzwerte einhalten, jedoch leider nicht schadstofffrei sind.
Diese Schadstoffe werden besonders häufig nachgewiesen
Auffällig viele Phthalat-Derivate (Weichmacher) wie Diethylhexylphthalat (DEHP) kommen in belasteten Kunststoffprodukten vor, wie etwa bei einem Schnorchelset für Kinder.
Besorgniserregend zahlreich sind zudem die Befunde der mitunter krebserregenden und fruchtschädigenden Kohlenwasserstoff-Derivate. Hier legen die aktuellen Laborergebnisse offen, dass vor allem Naphthalin und Pyren, zwei PAKs, in Spielsachen mit Textilbestandteilen nachgewiesen werden.
„Naphthalin wird häufig als Mottenschutzmittel eingesetzt. Die Container mit importierten Billigprodukten aus Asien werden scheinbar mit Naphthalin regelrecht besprüht um die Ware beim Transport zu schützen. Der Gedanke an den Schutz unserer Kinder kommt hier eindeutig zu kurz“, schildert Untersuchungsleiter Benjamin Schardt seine Eindrücke.
Produktkategorien und -sortimente mit hoher Schadstoffbelastung
In den Spielzeugtests anderer ebenso bekannter Verbraucherportale wie Ökotest und Stiftung Warentest waren häufig die Holzspielzeuge (und hier die Lacke) stark schadstoffbelastet. So etwa in der Prüfung hölzerner Spielsachen von Stiftung Warentest vom 21.10.2010, als ganze 20 Holzspielsachen kritische Funde aufwiesen.
Interessanterweise schneidet diese Spielzeugkategorie im Prüfverfahren von expertentesten.de auffällig gut ab.
Dafür haben Textil- und Kunststoffprodukte das Nachsehen. In diesen Produktgruppen lassen sich gar bei über 70% der getesteten Produkte mindestens ein Schadstofftyp nachweisen. Etwa in der Kinderbettdecke von Aqua Textil (Isoamyl Laurat) oder im Strampler Outfit von Longra (Naphthalin).
Lerneffekt bei manchen Unternehmen beobachtbar
Es fanden sich auch ein paar Produkte im Labortest, die bereits von anderen Verbraucherportalen wie Ökotest oder Stiftung Warentest vor einigen Jahren auf Schadstoffe hin untersucht wurden. Während diese Produkte damals laut den Berichten der Verbraucherportale noch sträflich kontaminiert waren, verfügen Sie in unserer aktuellen Testserie über eine weiße Weste.
Ein löbliches Beispiel hierfür stellt die Kinderpuppe Calin Yang von Corolle (Art.-Nr. H3518-0) dar. Hat diese Kunststoffpuppe im Oktober 2010 laut Stiftung Warentest noch durch einen indiskutablen Schadstoffbefund (Nonylphenol) für negative Schlagzeilen gesorgt, so kann das unabhängige Labor von expertentesten.de im September 2017 diese Substanzen nicht mehr in signifikanten Mengen nachweisen.
Einige Hersteller haben nichts dazu gelernt
Leider ist das obige Beispiel jedoch nicht die Regel. So wies das Plüschpferd Johnny von Spiegelburg (Art.-Nr. 11400) im Prüfverfahren von Stiftung Warentest vor rund zwei Jahren (13.10.2015) bereits die potentiell kanzerogenen PAKs Chrysen und Naphthalin auf. Und auch expertentesten.de kann in den aktuellen Tests exakt jene polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe in nicht unerheblichen Mengen nachweisen.
Für eine Stellungnahme war dieses Unternehmen bis zum heutigen Tag nicht erreichbar.
So vermeiden Sie Schadstoffe beim Spielzeugkauf
Wer beim Spielzeugkauf mit offenen Augen durch die Läden geht, kann das Risiko bezüglich schadstoffbelasteten Spielzeugen leicht reduzieren. Drei Tipps haben wir daher für Sie zusammengefasst.
1. Verarbeitungsfehler
Wenn bereits mit dem bloßen Auge Verarbeitungsfehler erkennbar sind, weist dies auf einen minderwertigen Herstellungsprozess hin! Bitte Abstand vom Kauf nehmen!
2. Kein Spielzeug mit Lack
Kaum zu glauben, aber wahr: Plastikspielsachen sind in der Regel besser als das meist lackierte Holz. Im Lack befinden sich oft zahlreiche Schadstoffe die gesundheitsgefährdend sein können.
3. Wie ist der Geruch?
Auch wenn es erst mal seltsam erscheint: Riechen Sie an Spielzeugen und vertrauen Sie Ihrer Intuition. Schadstoffbelastetes Spielzeug stinkt regelrecht nach Chemie und sollte am besten umgangen werden.
Verbraucherportal fordert ‚Null-Toleranz-Haltung‘ in Bezug auf schadstoffbelastete Baby- und Kleinkindprodukte
Motivation der aktuellen, von expertentesten.de in Auftrag gegebenen, Testserien sei es laut Benjamin Schardt auch, die Gesellschaft für dieses Thema zu sensibilisieren und die betroffenen Unternehmen dazu zu bewegen, nicht mehr weiter am Herstellungsprozess ihrer Produkte zu sparen.
Insbesondere dann nicht, wenn diese Einsparungen offensichtlich zu Lasten unserer Kinder, also unser aller Zukunft, gehen. „Solange wir in Deutschland keine 100%-ige Schadstofffreiheit bei Spielsachen haben, werden wir nicht müde, die Öffentlichkeit über potentiell schädliche Produkte zu informieren“, verspricht Herr Schardt.