Taktik- und Strategiebrettspiele gibt es wie Sand am Meer. Oft kombiniert mit einem eher unverfänglichen historischen Hintergrund, gerne aber auch fiktionalem Setting.
Spiele, welche den 2. Weltkrieg zum Hintergrund haben, waren kaum zu finden.
Dementsprechend waren wir ziemlich überrascht, als wir dieses Exemplar auf der Essener Messe „Spiel`11“ gefunden haben.
Eine kritische Bemerkung
Der deutsche Spielemarkt tut sich allgemein etwas schwer mit derartigen Spielen, was wohl vor allem dem historischen Erbe Deutschlands zu verdanken ist.
Ein Spiel jedenfalls, in welchem man die Rolle eines Militärstrategen wahlweise auf Seiten der Wehrmacht oder der Roten Armee einnehmen kann, ist in der Form nicht zu finden.
Aus gutem Grund, könnte man meinen, denn für das kollektive Gedächtnis sind die Ereignisse des Krieges durchaus noch präsent.
Insofern wäre es nicht verwunderlich, wenn jemand beim Anblick des Spiels den Machern Pietätlosigkeit vorwerfen würde.
Ob man diese Kritik in der Form teilen möchte oder nicht, liegt jedoch im Auge des Betrachters. Was für den einen ein Tribut an den geforderten Realismus und das historische Interesse des Spielers ist, ist für andere eine unkritische Kommerzialisierung eines sehr ernst zu nehmenden Themas. Dies jedoch nur als kritische Einleitung, die vor dem Kauf – im Hinblick auf die zukünftigen Mitspieler – zu beachten ist.
Das Spiel
„The Art of Tactic: Operation Barbarossa 1941“ sprang uns auf der Messe „Spiel`11“ vor allem deshalb ins Auge, weil die Figuren ein echter Blickfang sind: Sauber herausgearbeitet und den historischen Originalen nachempfunden. Womit wir allerdings nicht rechneten, war, dass wir die Figuren alle in Eigenregie aufbauen müssen.
Für Modellbau-Fans ist das kaum der Rede wert, für Leute mit zwei linken Händen hingegen eine echte Plackerei. Zu zweit haben wir eine ganze Zeit lang mit Basteln verbracht (mit Pausen ca. 2 Stunden).
Problematisch waren vor allem die teilweise sehr filigranen Kleinteile: Einerseits machen derartig detailgetreue Nachbildungen Lust auf mehr (gerade für Fans von Strategie- und Taktikspielen mit militärhistorischem Hintergrund), andererseits frisst das eine ganze Menge Zeit und birgt ordentlich Frustpotenzial.
Wem die vorgegebenen Einheiten nicht ausreichen, der kann sich zusätzliche via Internet nachbestellen – das Spiel ist beliebig erweiterbar.
Wichtig (!): Wer Haustiere und kleine Kinder hat, sollte unbedingt aufpassen. Zum einen können diese innerhalb von Sekunden die Aufbauarbeit von Stunden zerstören, zum anderen ist die Erstickungsgefahr beim Verschlucken der Kleinteile nicht gerade klein.
Es empfiehlt sich außerdem, den Aufbauort für die Einheiten sorgsam auszuwählen. Die Arbeitsunterlage sollte möglichst eben sein und so im Zimmer positioniert werden, dass die Kleinteile beim Herunterfallen problemlos gefunden werden können.
So schön wie dunklere Langflor-Teppiche (oder Ähnliches) auch sind, sie sind eine Katastrophe, wenn es darum geht, verschwundene Kleinstteile darin zu finden.
Das Spiel selbst ist gar nicht so schwer, wie ursprünglich vermutet: Gespielt wird nicht im Rundenmodus sondern in Echtzeit, lästiges Warten auf zaudernde Mitspieler hat sich in dem Sinne erst einmal erledigt.
Das Spielbrett setzt sich aus Hexagonen zusammen, die zu den letztendlichen Kriegsschauplätzen zusammengeschoben werden müssen. Wie genau der Kampfplatz zusammenzubauen ist, muss dem Szenario-Heft entnommen werden. Nachdem der Ort des Geschehens aufgebaut und die Einheiten platziert worden sind, geht`s dann auch los.
Das Spiel verläuft in mehreren Spielzügen, welche sich wiederum in zwei Phasen aufgliedern. In der ersten Phase werden Befehle geplant und (verdeckt) erteilt (per Notiz). Sobald auch der letzte Mitspieler seine Entscheidungen getroffen hat, werden die Befehle ausgeführt (in vorgegebenen Reihenfolge).
Die Komplexität des Spiels ergibt sich aus der Vielzahl an möglichen Befehlen, den jeweiligen Eigenschaften und Verfassungen der unterschiedlichen Einheiten sowie den Gegebenheiten des Terrains – alles will bedacht werden.
Zusätzlich dazu muss natürlich auch das Vorgehen des Gegners bedacht werden, freilich ohne seine genaue Planung tatsächlich zu kennen. Kurzum: Das Spiel ähnelt – in dieser Hinsicht – einem hochkomplexen Schachspiel.
Kritik und Fazit
Wie bereits angesprochen, ist das Aufbauen der Einheiten nicht unproblematisch. Sofern man sich für das Spiel entscheidet, sollte man dahingehend einige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen: Zeit nehmen, die Teile vor Tieren und Kleinkindern schützen, sowie den Arbeitsbereich sorgfältig wählen.
Um dann tatsächlich in das Spiel eintauchen zu können, ist ein intensives Studium der Spielanleitung notwendig – auch sollte man sich die jeweiligen Einheitenkarten genau ansehen (dort werden der Zustand und die Fähigkeiten der jeweiligen Einheit aufgeführt).
Erst nach einigen Probespielen wird man die Spieltiefe auskosten und die verschiedenen Möglichkeiten der Einheiten in ihrer Gänze ausnutzen können. Kurzum: Als Quickie für einen Spielabend ist „The Art of Tactic: Operation Barbarossa 1941“ denkbar ungeeignet (vor allem, wenn Anfänger unter den Mitspielern zu finden sind).
Um das Spiel zu spielen, benötigt man mindestens einen Mitspieler, natürlich können und dürfen auch mehr Personen ins Geschehen eingreifen. Zwar wird vom Hersteller angegeben, dass das Spiel ab 10+ geeignet ist – aus unserer Sicht ist diese Angabe jedoch nicht besonders zielführend.
Fazit
Die Spieler von „Operation Barbarossa 1941“ sollten wenigstens 14 Jahre alt sein, vor allem deshalb, weil das Spiel Geduld, Konzentrationsfähigkeit und ein ausgeprägtes taktisches Denken erfordert.
Jüngere könnten von diesen Ansprüchen – aus unserer Sicht – sehr schnell überfordert werden. Die Spieldauer ist mit 45-90 Minuten angegeben, in unserem Test kamen wir zu einem ähnlichen Ergebnis.
Mit knapp 50€ (zzgl. Versandkosten) ist das Spiel zwar im hochpreisigen Segment angesiedelt, aus unserer Sicht wird jedoch ein einmaliges Spielerlebnis geboten.
Für Fans von Militär- und Taktikspielen ist „The Art of Tactic: Operation Barbarossa 1941“ ein Muss, erschienen ist es bei dem russischen Verlag ZVEZDA. (S.Ziegler)