Sehr geehrter Herr Toni Geiling,
Sie sind Musiker und Sie haben sogar ein Lehramt. Im Jahr geben Sie mehr als 100 Konzerte und Sie stehen so mehr auf der Bühne als bekannte Bands, wie die Stones.
Und jetzt erscheint Ihr neues Album „Die Nacktschnecke“.
Die Redaktion: Für jemanden, der Sie nicht kennt, könnten Sie sich bitte einmal kurz vorstellen?
Toni Geiling: Mein Name ist Toni Geiling, ich war schon immer Musiker, schreibe Lieder, singe, spiele Gitarre, Violine, Klavier oder die Singende Säge.
Die Redaktion: Sie sind als Musiker weltweit unterwegs gewesen. Irland und Neuseeland waren nur einige Stationen Ihrer Tour. Wie beeinflussen solche Aufenthalte Sie als Musiker?
Toni Geiling: Zuerst einmal habe ich viel erlebt und dabei gelernt, dass ich nur mit einer Geige irgendwie durchkomme. Meine CO2 Balance war allerdings schon im Eimer, als man auf den Langstreckenflügen noch rauchen durfte, also 1996 bin ich das erste Mal nach Australien geflogen.
Natürlich habe ich auch das ganze Musik-Business erlernt und viele tolle Folkkonzerte gegeben und Festivals besucht.
Die Redaktion: Sie schreiben sehr viele Titel für Kinder. Sind Geschichten für Kinder schwerer zu entwickeln als Geschichten für Erwachsene?
Toni Geiling: Nein, das, was ich gerade schreibe, geht immer schwer, manchmal auch ganz leicht, mal dauert es ewig, ein anderes Mal nur fünf Minuten, unabhängig, ob es für Kinder oder Erwachsene ist.
Ich versuche auch nicht, die Kinderperspektive einzunehmen, das geht auch gar nicht, sondern ein Thema zu finden, dass sie vielleicht interessiert, einen neuen Blickwinkel, eine kleine Verdrehung, etwas, zudem noch nichts geschrieben wurde.
Die Redaktion: Sie wohnen in Halle an der Saale, einer Stadt, in der Musik „groß“ geschrieben wird. Bekannte Musiker haben in Halle gewirkt oder wirken immer und das reicht von Händel bis Maffay. Fühlen Sie sich dadurch irgendwie verpflichtet?
Toni Geiling: Nein, ich fühle mich dadurch nicht verpflichtet. Halle ist eine tolle Stadt, der Fluss, die liebenswerten Menschen und eine sehr lebendige Kulturszene, nicht zu groß, nicht zu klein.
Das hilft, da findet man unter Umständen MusikerInnen, mit denen man spielen kann. Ich war aber immer darauf angewiesen, mit meinen Konzerten zu reisen. Halle alleine hätte mich nie ernährt.
Die Redaktion: Man kommt ja leider nicht drum herum, aber die jetzige Lebenssituation mit dem Virus beeinflusst uns als Menschen. Die Kultur ist leider auch eine leidtragenden Säule unserer Gesellschaft.
Es finden keine Konzerte oder Theaterveranstaltungen statt. Kultur war und ist ja immer ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich bei uns in der Vielfalt gezeigt hat. Wie gehen Sie als Musiker mit der Situation um? Und was macht das mit Ihnen persönlich?
Toni Geiling: Ich dachte immer, wenn du einmal durch einen Unfall nicht mehr spielen kannst oder so, dann bricht deine Welt zusammen. Jetzt haben wir diesen Ernstfall und ich muss ehrlich zugeben, es ist völlig OK, andere Dinge sind mir jetzt wichtiger.
Da ist meine Familie, drei Jungens lassen kaum Zeit für Musik, sie klingt zwar noch tief in meinem Inneren, aber ich spiele gerade wenig. Es ist irgendwie befreiend, dass ich mich nicht ständig in Abreise oder Ankunft befinde, ich muss meine Stimme nicht schonen, muss mich nicht um Auftritte kümmern, da gerade sowieso keiner mehr Engagements bucht.
Die meiste Zeit verbringe ich mit Bauarbeiten am kleinen Haus, sowas mit Stemmhammer und Spaten und Pflaster und KG Rohren, Tragschicht, Dachrinne, Regenwassertank, Löten, Schippen, Bohren, Sägen – Upps, das ist ja schon wieder fast ein Lied.
Die Redaktion: Wir sind ein Kinderspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?
Toni Geiling: Ich war in meiner Jugend entweder an der Geige oder im Wald. Wir haben auch manchmal Karten gespielt. Ich glaube generell nicht, dass Erwachsene mit ihren Kindern spielen sollten, außer Brettspiele und sowas, wenn man es mag, und weil es die Familie zusammenbringt.
Kinder können ganz alleine spielen und ein Erwachsener auf Knien, in denen es ächzt und knarzt, ist ein schlechter Spielpartner. Natürlich muss man die Stifte bereitlegen, das Baumhaus absichern, die Pfannekuchen backen und hinterher aufräumen…
Kinder sollten nach meinem Dafürhalten nicht zu stark von den Erwachsenen dominiert werden, gerade auch im Spiel, ansonsten gilt Vorlesen, Ernstnehmen, Zuhören, Vormachen, Nett sein.
Die Redaktion: Was war Ihnen dabei wichtig, wenn Sie mit Ihren Eltern oder Geschwistern gespielt haben?
Toni Geiling: Wie gesagt, ich war immer in meiner eigenen Welt, ich kann diese Frage also gar nicht beantworten. Morgens ging es raus, wenn es dunkel wurde ging es heim, die Eltern waren dabei egal. Wir waren alles, Piraten, Afrikahelfer, Pioniere, Polizei, Staudammbauer, Doktor oder Indianer.
Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?
Toni Geiling: Oh, da fallen mir eine ganze Menge Geiger ein, die ich gerne mal treffen würde. Ich glaube aber, ich würde dann eher zuhören.
Die Redaktion: Welches Spiel spielen Sie am liebsten? Und was spielen Sie heute mit Ihren Freunden?
Toni Geiling: Mit meinen Freunden spiele ich ehrlich gesagt außer Musik niemals etwas. Mein Lieblingsspiel und das einzige, das ich mit meinem Sohn spiele, ist tatsächlich Schach.
Die Redaktion: Was schätzen Sie am gemeinsamen Spiel?
Toni Geiling: Also, hätte ich die Wahl zwischen Gartenarbeit, Kaffeetrinken mit Freunden, Spazieren gehen, Musikmachen, Bauen, Kochen, Aufräumen, Schlafen, Komponieren oder Brettspiel würde ich als aller letztes das Brettspiel wählen.
Mich beschleicht bei diesem Interview das Gefühl, dass ich einen wichtigen Bereich des Lebens bisher völlig außen vorgelassen habe. Meine Jungs wollen unbedingt mal Monopoly spielen, das haben wir auch daheim. Ich werde mich diesbezüglich auf jeden Fall bessern!
Die Redaktion: Könnten Sie sich vorstellen, auch selber mal ein Spiel zu erfinden?
Toni Geiling: Ich habe so viele Lieder und Texte und Melodien, Spiele erfinden sollen Spiele-ErfinderInnen. Das ist nichts für mich.
Die Redaktion: Wenn Sie eine Sache auf der Welt verändern dürften, was wäre das?
Toni Geiling: Eine gerechte Verteilung des Wohlstandes weltweit, es gibt so unfassbar viel Armut und Leid und die Probleme, die wir hier haben, auch mit Corona, sind klein, verglichen mit denen eines Kindes z.B. in Nepal (…) , dass vor der Schule erst noch einmal 4 Stunden Feldarbeit leisten muss.
Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?
Toni Geiling: Gerade lässt sich schlecht planen. Auf jeden Fall mache ich noch eine CD für Kinder, die Lieder sind dafür schon fertig und danach darf ich vielleicht wieder Konzerte spielen, dann wäre ich sehr froh!
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