Im Gespräch mit Inke Hummel

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Streit mit dem besten Freund, Stress, Leistungsdruck, Tod des geliebten Hamsters – jeden Tag stehen Kinder vor den unterschiedlichsten Herausforderungen des Alltags. Pädagogin und Bestsellerautorin Inke Hummel erklärt, warum es gut ist, Emotionen im Kita-Alltag zu integrieren und zuzulassen.

Wie wichtig ist es, dass Kinder zuhause aber auch in der Kita ihre Gefühle ausleben und ausdrücken können?

Inke Hummel: Erfreulicherweise ist das Bewusstsein für kindliche Gefühle deutlich gewachsen. Früher wurden Gefühle eher abgetan mit Sätzen wie „Du musst nicht traurig sein“, „Du darfst nicht wütend sein“ oder „Reiß dich mal zusammen“. Heute wird schon häufiger nach den Ursachen für die Wut gefragt.

Das liegt auch daran, das wissen wir heute, dass ein guter Zugang zum eigenen Seelenleben für die psychische Entwicklung von Kindern immens wichtig ist. Dazu gehört eben auch, Gefühle anzusprechen und ihnen einen Platz einzuräumen.

Wie können pädagogische Fachkräfte im Kita-Alltag Räume für Gefühle schaffen?

Inke Hummel: Es beginnt mit einem Bewusstsein für unseren Körper. Dafür braucht es Bewegungsräume, in denen Kinder erfahren können, wie viel Kraft sie mit Schlägen haben oder wie es sich anfühlt, eine Angst zu überwinden.

Auch Alltagsroutinen wie die Frage „Wie fühlt ihr euch?“ im Morgenkreis oder auch Themenwochen zu Gefühlen oder den Umgang miteinander sind wichtige Bausteine für einen offenen Umgang mit Emotionen im Kita-Alltag.

Warum sollten Kinder lernen, ihre Gefühle in Worte zu fassen?

Inke Hummel: Damit Kinder ihre persönlichen Empfindungen beschreiben können, müssen sie in sich hineinspüren und überlegen wie die Wut, Angst oder auch Traurigkeit entstanden ist. Das dafür nötige Bewusstsein ist sehr wichtig, um an den Ursachen zu arbeiten und Lösungsstrategien zu finden. Worte sind dafür nur eine Möglichkeit.

Ich bin ein großer Fan der Visualisierung von Gefühlen, zum Beispiel durch Smileys oder Gesten. Das erleichtert gerade kleinen Kindern den Zugang zu ihrer Gefühlswelt. Auch Kinderbücher bieten Gelegenheit über Gefühle ins Gespräch zu kommen.

Wie wichtig ist das Gefühl von Akzeptanz für Kinder, gerade in Situationen, in denen ihre Gefühle wild durcheinander gehen?

Inke Hummel: Die Kinder sollten auf jeden Fall spüren, dass sie aufgrund ihrer Wut nicht weniger akzeptiert und geliebt werden. Auch das Erzeugen von Schamgefühlen ist völlig kontraproduktiv. Natürlich ist es wichtig, Wut nicht unkontrolliert rauszulassen, sondern einen Umgang damit zu finden, der für sich und andere gut funktioniert.

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Dabei brauchen Kinder unsere Begleitung und unser Vertrauen, dass sie auch andere Lösungen für ihre Wut finden können. Von diesen Strategien für Wut und Co profitieren Kinder ihr Leben lang.

Was macht es mit Kindern, wenn sie sich in ihren Gefühlen gesehen und verstanden fühlen und einen guten Umgang mit Emotionen lernen?

Inke Hummel: Das Bewusstsein für Gefühle stärkt Selbstsicherheit der Kinder, ihre Bindung zu Eltern und pädagogischen Bezugspersonen und macht sie resilienter. Das hat wiederum sehr positive Auswirkungen auf die Fähigkeiten mit Stress und Ausnahmesituationen umzugehen.

Es macht uns als Menschen lebensfit – bis ins Erwachsenen-Alter hinein. Und nicht zu vergessen, gestärkt in den eigenen Gefühlen kann ich auch empathischer auf meine Mitmenschen eingehen.

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Das Magazin wurde im Mai 2016 gestartet, trotzdem kommen wir selber auf fast 15 Jahre Spielerfahrungen zurückblicken.