Interview mit Markus Heitz zu “Irida und die Stadt der Geheimnisse“

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Sehr geehrter Herr Heitz, Sie sind für Ihre düsteren Fantasyromane bekannt – was hat Sie dazu bewogen, nun ein Kinderbuch zu schreiben?

Markus Heitz: Ich bin ein Gernschreiber und habe die verschiedensten Ideen in unterschiedlichsten Genres. Daher ist meine Bandbreite auch sehr hoch, von klassischen Thrillern über Fantastik mit diversen Subgenres bis hin zu Space Fiction und politischen Kurzgeschichten. Schreiben ist für mich Vielfalt.

Vor etwa 15 Jahren erschienen bereits Bilderbücher für die Kleinsten (Prima, Monster // Das Angstmacherchen), und da Ideen bei mir nie das Problem sind – voilà! So entstand die „Irida“- Reihe.

War der kreative Prozess beim Schreiben für eine jüngere Zielgruppe anders als bei Ihren bisherigen Werken?

Markus Heitz: Nein. Ich musste nur das übliche Blut und den Detailreichtum in den Beschreibungen bei Kampfszenen rauslassen. An sich bleibt eine Geschichte eben eine Geschichte mit klassischem Aufbau.

Ihre Hauptfigur Irida scheint nicht so recht ins Städtchen Hohenburg zu passen. Warum haben Sie das Motiv des Außenseiters gewählt?

Markus Heitz: Es geht nicht nur um spannende Abenteuer, sondern eben auch um „coming of age“, wie es so schön heißt. Da fühlen sich Heranwachsende gerne mal wie ein Alien, ein Außenseiter, wie jemand, der nirgends reinpasst. Und hat man noch gänzlich andere Interessen als „der übliche Standard“, intensiviert sich das Gefühl. Je nach Umfeld kann es mit dem Außenseitertum recht schnell gehen.

Was bedeutet „Anderssein“ für Sie persönlich – und welche Botschaft möchten Sie Kindern dazu mitgeben?

Markus Heitz: Ich bin mit meinen 53 Jahren ein „Alt-Grufti“, also ein Lebens- und Musikstil, der durch lebensbejahendes Schwarz in der Kleidungswahl auffällt. Eigentlich fast immer.

Früher wurde dann schon mal überlegt, wer jetzt alles in meiner Familie gestorben sein könnte, und ich wurde mal gefragt, ob das mein „Lesungsoutfit“ sei. Nein. ich trage immer Schwarz. Seit mehr als 30 Jahren. Und das ist absolut in Ordnung, Dinge anders zu machen, sich anders zu kleiden, solange man andere Menschen respektiert. So einfach kann es sein.

Gibt es Figuren in Ihrem Buch, die für Toleranz oder die Kraft der Vielfalt stehen?

Markus Heitz: Im Grunde ist das durch die „Furchtlosen“ schon angelegt, bei denen ganz schnell klar wird, dass die Unterschiede sich perfekt ergänzen. Irida und ihre Freunde nennen sich selbst „die Furchtlosen“.

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Wie wichtig war es Ihnen, das Thema Freundschaft in den Mittelpunkt zu stellen?

Markus Heitz: Weil es eine hervorragende Konstante im Leben sein kann. Nicht jede Freundschaft hält oder dauert lange, doch manche bleiben tatsächlich ein Leben lang. Verlässlichkeit, egal was sonst geschieht.

Was macht wahre Freundschaft in einer Welt voller Geheimnisse und Misstrauen aus?

Markus Heitz: Man kann sich im stärksten Sturm vertrauen und den Geheimnissen auf den Grund gehen, ohne Angst davor haben zu müssen, hintergangen oder reingelegt zu werden. Bei den Gegnern, mit denen es die Furchtlosen und Irida zu tun haben – sehr wichtig!

Ihre Geschichte verbindet Realität mit einer geheimen, magischen Anderswelt. Wie haben Sie diese Welt entworfen?

Markus Heitz: Vieles davon basiert zum einen auf den Märchen, Sagen und Legenden des Saarlandes, kombiniert mit realen Orten, wie z.B. die Schlossberghöhen (Europas größte Buntsandsteinhöhle), die römischen Ausgrabungen, die mittelalterliche Klosterruine und vieles mehr. Magischer Realismus – das macht es eben für die Leserinnen und Leser noch nachvollziehbarer. Und sie können die Orte besuchen. Und sich auf die Suche machen…

Auch zur Welt der Trolle fand ich durch norwegische Märchen, aus denen immer zitiert wird, um zu zeigen, woher die Infos stammen. So etwas macht mir extrem viel Spaß.

Was fasziniert Sie selbst an fantastischen Erzählungen – besonders im Hinblick auf junge Leserinnen und Leser?

Markus Heitz: Weil zum einen alles möglich ist, zum anderen der Glaube an magische Dinge bei jüngeren Leserinnen und Lesern noch mehr vorhanden ist… oder sagen wir die Bereitschaft dazu. Die Verquickung aus Realität und Erfundenem macht es zum perfekten Mix.

Die Schlossberghöhlen spielen eine zentrale Rolle im Buch. Warum haben Sie diesen Ort gewählt?

Markus Heitz: Wir bewegen uns im fiktiven Städtchen Hohenburg natürlich mehr oder weniger durch Homburg und an Orten, die ich aus meiner Kindheit und meinem Leben kenne. Schlicht, weil ich dort wohne. Gerade die Schlossberghöhlen sind beeindruckend, weil man sie über drei Stockwerke erkunden kann. Höhlen besitzen stets etwas Magisches.

Sie verweben norwegische Märchenelemente mit einer modernen Geschichte – wie kamen Sie auf diese Kombination?

Markus Heitz: Ich wollte -neben dem regionalen Faktor- natürlich noch ein Überraschungsmoment haben. Also brachte ich Norwegen mit seinen mythischen Welten ins Spiel.

Zudem gefiel mir das Land bei einem Rechercheaufenthalt extrem gut, und man versteht, wie der Glaube an Trolle zustande kam: Mitten im Nichts liegt ein gigantischer Stein… wie sonst soll der dorthin gekommen sein, als durch die überstarken Trolle?

Aber keinesfalls sollten sie nett und niedlich sein, sondern etwas Gefährliches haben – wie sie einst auch von den Menschen gesehen wurden.

Können Sie uns etwas über die Wesen erzählen, die sich in menschlicher Gestalt unter die Einwohner mischen? Gibt es hier Anleihen aus der regionalen oder auch nordischen Sagenwelt?

Markus Heitz: Wir reden über Wechselbälger, die sowohl in unseren als auch den norwegisch-skandinavischen Erzählungen vorkommen – ausgetauschte Kinder. Monster gegen Mensch.

Auch das bringt völlig neuen Schwung in die Sache!

Was hat es mit dem allgegenwärtigen Kaninchen auf sich? Ein Maskottchen, ein Wächter oder etwas ganz anderes?

Markus Heitz: Ist eine Mischung aus vielen Anspielungen. Kaninchen an sich gelten bei vielen Menschen als niedlich, putzig, knuffig.

Aber wer beispielsweise „Die Ritter der Kokosnuss“ von Monty Python gesehen hat (wie ich) oder eine Folge aus der alten „Buffy“-Serie, in der jemand drüber sinniert, dass Kaninchen die Wurzel des Übels sind, der weiß: Die haben es möhrendick und -lang hinter den Löffeln! Mehr kann ich aus dramaturgischen Gründen nicht verraten.

Ohne zu viel zu verraten: Was erwartet die Leserinnen und Leser in den nächsten Bänden?

Markus Heitz: Einerseits ein neues Rätsel rund um die heimische Sagen-, Märchen- und Legendenwelt, aber auch neue Abenteuer in Norwegen. Denn was ist mit den ausgetauschten Kindern geschehen?

Welche Bücher haben Sie als Kind oder Jugendlicher besonders gerne gelesen?

Markus Heitz: In meiner Kindheit gab es noch eine Dorfbibliothek, und ich glaube, ich habe die einmal komplett durchgelesen. Aber Fantastik war damals schon weit vorne – weil eben alles möglich ist, auch das Unmögliche.

Was macht Ihnen am meisten Spaß, wenn Sie ein neues Buch beginnen?

Markus Heitz: Es macht immer Spaß, ein Buch zu schreiben. Gernschreiber eben.

Gibt es einen festen Ort, an dem Sie schreiben? Wie sieht Ihr „Schreiballtag“ aus?

Markus Heitz: Schreiben kann ich überall, meistens am Laptop, weil ich dort meine Soundtracks abgelegt habe.

Sitze ich an einem Projekt, entstehen jeden Tag 5 DinA4-Seiten (12 Schrift, Times New Roman, einzeiliger Abstand), und damit meine ich wirklich jeden Tag. Meistens kommen aber mehr Seiten zustande.

Vorher wird geplottet, die Welt entworfen plus Figuren, sodass das Schreiben an sich zügig von der Hand geht. Ich schaffe so locker zwei Romane im Jahr und habe dann noch Zeit, um Neues anzudenken, ein Nebenprojekt zu starten oder etwas anderes Kreatives anzugehen.

Disziplin ist der Schlüssel. Talent schadet nicht, aber der Spaß ist der eigentliche Faktor: der Spaß am Geschichtenerzählen.

Deswegen ist nach dem Roman vor dem Roman. Ich bin inzwischen irgendwo über siebzig, achtzig Bücher. Und es werden sicherlich noch mehr – sollte der Tod nicht vorbeikommen. Memento mori – als Grufti weiß ich das und habe es stets im Gedächtnis.

Infos:

Website Autor  http://www.mahet.de

Markus Heitz
IRIDA UND DIE STADT DER GEHEIMNSSE
Coverillustration: Max Meinzold
368 Seiten. Gebunden. Ab 11 Jahren
Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger

https://www.oetinger.de/buch/irida-1-irida-und-die-stadt-der-geheimnisse/9783837397284

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