
Bitte erzählen Sie uns kurz von sich.
Jørn Lier Horst: Ich bin 50 Jahre alt, verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Und einen Hund namens Theodor.
Bevor ich Schriftsteller wurde, habe ich als Ermittler bei der Polizei gearbeitet.
Das ist ein spannender Beruf, der mir beim Schreiben von Kriminalromanen sehr nützlich ist. Mord, Raubüberfälle, Fingerabdrücke und Schmauchspuren. Große Rätsel, dunkle Lügen und gefährliche Geheimnisse. Das ist es, worum es bei der Arbeit eines Ermittlers geht, und darüber schreibe ich in meinen Büchern.
Erzählen Sie uns etwas über die Bücher der CLUE-Reihe?
Jørn Lier Horst: Alle Bücher der CLUE-Reihe sind sogenannte realistische Kriminalgeschichten. Vieles von dem, was in den Geschichten vorkommt, habe ich in meiner Arbeit als Ermittler erlebt, wie zum Beispiel das Auffinden eines toten Mannes am Strand, wie Cecilia in „Schiffbruch vor der Felseninsel“, oder die Verfolgung eines gefährlichen entflohenen Gefangenen wie in „Jagd auf die Juwelendieben“.
Das, was Ihr in den Büchern lest, ist also im wirklichen Leben passiert und könnte so passieren.
Es könnte auch Euch, den Leserinnen und Lesern passieren.
Haben Sie eine Lieblingsfigur und -szene?
Jørn Lier Horst: Ich glaube, ich mag Une am liebsten. Sie ist die Art von Mensch, die nicht zu viel nachdenkt, bevor sie spricht oder handelt, und die trotzdem fürsorglich und beschützend ist, wenn es nötig ist.
Die Szene im ersten Band, in der Cecilia, Leo und Une die alten Bunker erkunden, ist vielleicht eine meiner Lieblingsszenen.

Wie sind Sie auf die Idee für die Serie CLUE gekommen? Was hat Sie dazu bewogen, sie zu schreiben?
Jørn Lier Horst: Als ich beschloss, für Kinder zu schreiben, wollte ich in erster Linie die Freude am Lesen wiedererwecken, die ich als Kind erlebt habe. Ich bin mit großem Respekt an diese Aufgabe herangegangen. Es ist auch mit einer gewissen Verantwortung verbunden, jemandem sein erstes Leseerlebnis zu vermitteln. Der erste Eindruck ist sehr wichtig, und die Erfahrungen, die man als Kind macht, können darüber entscheiden, ob man für den Rest seines Lebens ein Leser bleibt.
Ich hatte auch die Idee, dass meine Bücher mehr sein sollten als nur spannende Geschichten. Deshalb hat jedes Buch der CLUE-Reihe einen philosophischen Hintergrund. Die CLUE-Bücher sind eigentlich Philosophiebücher.
Das klingt vielleicht langweilig, aber die Kinder, die sie lesen, merken nicht, dass es in den Büchern um Philosophie geht – weil ich sie in eine spannende Geschichte einbaue. Sie merken nicht, dass sie beim Lesen etwas lernen, aber sie tun es.
In „Schiffbruch vor der Felseninsel“ geht es zum Beispiel um Sokrates und den Unterschied zwischen richtig und falsch. Der Band „Jagd auf die Juwelendiebe“ handelt von der Zeit. Um die Rätsel zu lösen, müssen die Hauptfiguren so denken wie die alten Philosophen.
Die Geschichten sind wie clevere Rätsel und Puzzles in Krimis – ist es schwierig, so zu schreiben? Was macht am meisten Spaß?
Jørn Lier Horst: Das ist genau das, was ich mag. Das Schreiben dieser Bücher ist ein Puzzle aus vielen Teilen, die alle zusammenpassen müssen, ein Netz aus Hinweisen und Sackgassen.
Ein Spiel mit dem Leser, bei dem alles, was erzählt wird, Auswirkungen auf die Auflösung auf der letzten Seite haben kann.
Lassen Sie sich viel von Ihrer Zeit als Ermittler inspirieren?
Jørn Lier Horst: Ja, in all meinen Büchern schreibe ich über Erfahrungen aus meiner Arbeit als Polizeibeamter. Ich habe den Kopf einer toten Person in den Händen gehalten, ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich weiß, wie schwer ein Schädel ist, wie er sich anfühlt, wie kalt er ist und wie er riecht. Das macht es mir leichter, es in einem Buch zu beschreiben, und das macht es dem Leser leichter, sich in die Geschichte einzufühlen.
Wenn mich jemand um Schreibtipps bittet, sage ich oft, dass es vielleicht nicht so gut ist, sich nur auf die Vorstellungskraft zu verlassen, sondern dass man lieber über etwas schreiben sollte, von dem man ein wenig weiß.
Es wäre zum Beispiel schwierig, einen Liebesroman zu schreiben, wenn man noch nie verliebt war und nicht weiß, wie sich das anfühlt.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrer eigenen Lektüre? Was lesen Sie gerne/was lesen Sie gerade? Wurden Sie von einem bestimmten Autor oder Text inspiriert?
Jørn Lier Horst: Autoren neigen dazu, Bücher zu schreiben, die sie selbst gerne lesen.
Ich lese gerne Bücher, die Teil einer Serie sind. Wenn ich ein neues Buch über dasselbe Universum in die Hand nehme, über das ich schon einmal gelesen habe, ist das, als würde ich gute alte Freunde treffen und einen Ort besuchen, an dem ich mich wohlfühle.
Im Moment lese ich Fair Warning von Michael Connelly, das ist ein Wiedersehen mit Jack McEvoy in Los Angeles.
Streng genommen habe ich keinen Lieblingsautor, aber das Buch, das mich wahrscheinlich am meisten beeindruckt hat, ist Henning Mankells erstes Buch der Kurt- Wallander-Reihe. Mörder ohne Gesicht. Meine Mutter hat es mir geschenkt, und ich habe es gelesen, als ich an der Polizeischule anfing. Es war eine solide Einführung in den Polizeiroman als literarisches Genre.
Danach dachte ich, dass ein Polizist wie Kurt Wallander das ist, was ich werden wollte. Das heißt: kein desillusionierter, gelegentlich verbitterter, streitsüchtiger, geschiedener und halbfetter Ermittler mit einem ungesunden Lebensstil, sondern ein Ermittler mit einem Gewissen, Integrität und Mitgefühl und mit der Überzeugung, dass er dazu beitragen kann, eine bessere Welt zu schaffen – ein Polizist, der etwas bewirken kann.
Im Großen und Ganzen war es Kurt Wallander, der mir den Weg zur Polizei ebnete, bis hin zu der Rolle, die ich viele Jahre lang als Ermittler innehatte.
Als Kind hatte ich ein ganz besonderes Leseerlebnis mit Maria Gripes „Tordyveln flyger i skymningen“. Eine fantastische Geschichte über die mystischen Erlebnisse dreier junger Menschen, über Romantik und Aberglauben. Ich habe es gelesen, als ich zehn Jahre alt war, und es hat mich dazu inspiriert, Bücher für die gleiche Altersgruppe zu schreiben.
Sie schreiben auch für Erwachsene – wie unterscheidet sich das vom Schreiben für Kinder und Jugendliche?
Jørn Lier Horst: Ich werde oft nach dem Unterschied zwischen dem Schreiben von Krimis für Kinder und für Erwachsene gefragt. Die Antwort ist, dass der Schreibprozess viele Gemeinsamkeiten aufweist. Ich arbeite bei Büchern, egal ob sie für junge oder erwachsene Leser bestimmt sind, auf dieselbe Weise: sehr ernsthaft.
Ich schreibe gerne abwechselnd an zwei oder drei Projekten, sowohl an Kinderbüchern als auch an Büchern für Erwachsene. Das funktioniert gut für mich, wenn ich beim Schreiben des einen Projekts nicht weiterkomme, mache ich eine Pause und nutze die Zeit für ein anderes Projekt.
Wenn ich dann dort weitermache, wo ich aufgehört habe, stelle ich oft fest, dass sich das Problem in der Zwischenzeit von selbst gelöst hat.
Zum Schluss: Wer wird die CLUE-Reihe lieben?
Jørn Lier Horst: Jeder, der Spannung mag. Diejenigen, die Kribbeln im Bauch, Gänsehaut auf den Armen und Neugier mögen
© Foto: Anton Soggiu
CLUE 1
SCHIFFBRUCH VOR DER FELSENINSEL
Illustrationen von Pascal Nöldner
Aus dem Norwegischen von Maike Dörries
160 Seiten. Gebunden. Ab 9 Jahren
Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger