Angesagt – Ute Krause

Foto von Ute Krause/ Bildrechte © Random House/Isabelle Grubert

Sehr geehrte Frau Ute Krause,
Sie sind Schriftstellerin, Illustratorin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Vor kurzem erschien Ihr neues Buch „Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben“ im Verlag cbj.

Ich persönlich finde, dass es ein hochinteressantes Buch geworden ist. Die Mischung aus Fantasie und Realität ist gelungen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Geschichte zu schreiben?

Ute Krause: Ich glaube, dass das Leben oft die Geschichten schreibt. Das ist auch hier der Fall. Das Buch habe ich meinem Sohn gewidmet.

Nicht nur er, auch viele andere Kinder, wachsen inzwischen in Patchworkfamilien auf, und haben mit dem leiblichen Vater leider oft viel zu wenig Kontakt.

Das war die Motivation diese Geschichte zu schreiben. Natürlich sollte sie spannend sein und so kommt sehr bald ein magisches Element hinzu – in Form eines geheimnisvollen fliegenden Schiffes und eines Kapitäns, der dem Jungen auf seltsame Weise vertraut ist.

Die Redaktion: Ich finde es eine gelungene Sache, aus der realen Welt in die Fantasie reinzugehen.

Ute Krause: Oft, wenn Kinder es nicht ganz leicht haben, fliehen sie in das Reich der Fantasie. In dem Buch lasse ich offen, ob der Kapitän der reale Vater ist, oder ob es letztendlich ein „verinnerlichter“ Vater ist, dem er Junge in der Geschichte begegnet.

Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben von Ute Krause/ Bildrechte Randomhouse

Die Redaktion: Das macht die Sache auch spannend. Wie kommt man auf die Idee als Autorin Kinderbücher zu schreiben?

Ute Krause: Das hat bei mir ganz früh angefangen. Ich bin zweisprachig aufgewachsen, was einerseits toll ist, andererseits aber zu dem Dilemma führt, dass ich in keiner der Sprachen hundertprozentig zu Hause war.

Englisch war lange meine erste Sprache. Ich habe sogar das Abitur zum Glück auf Englisch schreiben dürfen. Das kam daher, weil ich als Kind viel im Ausland gelebt habe. In Indien war mein Zeichentalent bei einem Wettbewerb entdeckt worden.

Die Schule funktionierte nach typisch englischem Modell, wie man es aus Harry Potter kennt, und war in Häuser aufgeteilt, die Wettbewerbe in verschiedenen Sparten gegeneinander austrugen.

Beim Zeichenwettbewerb wurde mein Talent entdeckt und gefördert und ab dem Zeitpunkt nahm ich für unser Haus daran teil. Später, in Deutschland, hörte ich mit dem Zeichnen nicht mehr auf.

Was das Schreiben betrifft, so wurde ich immer von Lehrern dazu ermuntert weiter zu schreiben, vor allem meine Englisch-Lehrerin an der Deutsch-Amerikanischen John-F-Kennedy Schule spielte da eine wichtige Rolle.

Als ich mit der Schule fertig war, beschloss ich beide Talente zusammenzulegen. Und so kam die Idee Kinderbücher zu schreiben und zu illustrieren. Ich war 23, als ich mein erstes Bilderbuch schrieb und illustrierte, das dann ein Jahr später veröffentlicht wurde.

Die Redaktion: Man sagt, dass Kinder die besten Kritiker sind. Merken Sie dies?

Ute Krause: Das sieht man bei den Lesungen. Kinder sind ganz unverfälscht und zeigen ehrlich, ob ihnen etwas gefällt oder nicht.

Die Redaktion: Deswegen stelle ich mir es schwer vor, für Kinder zu schreiben, denn wenn man erwachsen ist, hat man sich von den Kindern entfernt.

Ute Krause: Ja, wobei ich glaube, wenn man in seinem erwachsenen Leben nicht vergisst dem eigenen inneren Kind noch Raum zu lassen, dann verliert man den Zugang zu Kindern nicht.

Wir sollten nicht vergessen, wie wichtig und prägend diese frühe Zeit auch für unser eigenes restliches Leben ist.

Jeder von uns ist Menschen begegnet, die sich dessen unbewusst sind, die getrieben sind – zB von Geld, Ruhm- oder Machtsucht – ohne zu begreifen was sie treibt. Sie haben sich von ihrem inneren Kind entfernt, werden aber gleichzeitig von ihren frühen Erfahrungen unbewusst gesteuert.

Die Redaktion: Ich lese auch gern sehr viele Kinderbücher, denn ein Stück Kind steckt immer noch in einem.

Ute Krause: So ist es.

Die Redaktion: Ich finde es auch gut, dass viele bekannte Persönlichkeiten, mit denen ich diese Interviews durchgeführt habe, sich gern an ihre Kindheit erinnern.

Ute Krause: Ja, das geht mir auch so. Ich hatte ja eine sehr spannende, wenn auch nicht immer ganz einfache Kindheit über die ich zum Glück noch sehr viel weiß.

Die Redaktion: Ist man als Autor, wenn man so viele positive Rückmeldungen bekommt, glücklich darüber?

Ute Krause: Ja, natürlich. Wenn ich bei Lesungen merke, dass die Kinder ganz dabei sind, macht mich das glücklich. Ich bekomme auch viele Kinderbriefe.

Einer schrieb neulich, dass er sich wünscht, dass ich die Musketier Bücher schreiben soll, solange ich lebe. Das ist entzückend. Kinder können inspirieren, die Art wie sie absolute Freude zeigen und sich ganz in Dinge vertiefen ist etwas wunderbares.

Die Muskeltiere – Alle meine Freunde von Ute Krause/ Bild Randomhouse

Die Redaktion: Wir sind ein Kinderspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?

Ute Krause: Ja, wenn ich zurückblicke, würde ich sagen, dass ich das große Glück hatte bis zum 13. Lebensjahr ohne Fernseher aufzuwachsen, weil wir in Indien, der Türkei und Nigeria lebten, wo es das damals kaum gab.
Nigeria war die Ausnahme.

Wir hatten Nachbarn, bei denen wir einmal die Woche abends die Serie King-Kong auf einem winzigen schwarzweiß Fernseher gucken durften. Zu der Zeit herrschten in Nigeria politische Unruhen und wir durften nur so lange Fernschauen bis die Sirene heulte, denn danach durfte keiner mehr auf die Straße. Oft mussten wir vor Ende der Folge ganz schnell nach Hause rennen.

Doch was wirklich schön war, war das meine Mutter jeden Abend vorlas. Ich bin die Älteste von vier Geschwistern und hatte das große Glück, dass ich lange diese Abende genießen durfte. Vielleicht hat das auch dazu beigetragen, dass meine Fantasie geschult wurde.

Aber um endlich auf Ihre Frage zu kommen: Ja, wir hatten viele Spiele zu Hause und ohne Medien viel Zeit zu spielen. In Indien hatten wir zB ein Brettspiel namens Carrom Board gespielt.

Das ist ein wenig wie Billiard. Natürlich haben wir die Spiele gelernt, die im jeweiligen Land gespielt wurden und dazu jene Klassiker, die meine Mutter aus Deutschland mitgebracht hat – wie Malefiz, Mensch Ärgere dich nicht, usw.

Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?

Ute Krause: Mit jemandem zu spielen, bedeutet auch den Menschen zu erleben und durch seine Art zu spielen, kennenzulernen. Wie verhält er oder sie sich, wenn die Person am gewinnen oder am verlieren ist. Ich würde gern Leute wie Nelson Mandela und den Dalai Lama einladen.

Vielleicht würde ich, ich war ja gerade im Sudan, einen Diktator, wie Umar Hasan Ahmad al-Baschir an den Tisch bitten, um zu schauen, wie dieser Mensch, der gerade seiner Bevölkerung so übel mitspielt, sich in so einer Situation verhält.

Die Redaktion: Was haben Sie im Sudan gemacht?

Ute Krause: Ich habe fürs Goethe-Institut zwei Workshops geleitet. Vor sieben Jahren wurden sechs meiner Bücher ins Arabische übersetzt. Das führte dazu, dass ich plötzlich ganz viel in der arabischen Welt unterwegs war.

Erst in den Emiraten, da wurde ich damals eingeladen, mit fünf Künstlern aus Europa die Kinderecke der großen Moschee mit Bildern zu gestalten. Dazu gab es sogar ein Buch.

Zusammen mit dem Goethe-Institut habe ich einen Workshop für emiratische Autoren entwickelt, denn damals gab es kaum eigene Kinderbücher im Land, nur Lizenzen. Ein Jahr später arbeitete ich mit Illustratoren. S

o entstanden sieben Bücher, die alle verlegt wurden. Vor allem erwuchs daraus eine wunderbar, eng zusammengeschmiedete Gruppe an Autorinnen, von denen viele inzwischen erfolgreiche Kinderbuchautorinnen in den Emiraten sind.

Das war eine wirklich wunderbare Zusammenarbeit und letztes Jahr durfte ich nochmals mit ihnen ein Projekt machen: Wir haben emiratische Volksmärchen gesammelt, von denen teilweise nur Fragmente existierten. Es war eine spannende Recherchearbeit und nun ist das Buch fertig und wird vom National Heritage Center herausgegeben.

Zuletzt habe ich im Sudan einen Workshop für Kinderbuchautoren geleitet. Und vor zwei Wochen einen Workshop für Illustratoren.

Die Demonstrationen hatten zu der Zeit bereits begonnen und natürlich waren auch jene betroffen, mit denen ich zu tun hatte, mit denen ich freundschaftlich verbunden bin und von denen ich erfuhr, was im Land geschieht. Wir bekommen hier ja wenig mit, da Bashir eine Nachrichtensperre verhängt hat.

Die Menschen, die unter Bashir leben, sind schon länger unzufrieden und sie haben, trotz brutaler Repressalien, den Mut auf die Straße zu gehen, nicht nur weil sie hungern, sondern weil sie sich eine Demokratie wünschen. Das finde ich sehr bewundernswert, weil dieser Diktator mit übelsten Mitteln zurückschlägt.

Seine Privatmiliz schießt auf die Demonstranten, die ausnahmslos friedlich sind. Das versucht die Miliz mit allen Mitteln zu untergraben. Sie versucht den Demonstranten angezündete Autos und eingeschlagene Scheiben in die Schuhe zu schieben.

Schlimmer noch – die Miliz schießt auf Demonstranten, es gab bereits mindestens 57 Tote, darunter 3 Kinder und viele Verletzte, die auf brutalste Weise getötet werden. Er lässt sie Tränengas direkt auf die Augen der Demonstranten schießen, wodurch einige erblindet sind und er steckt die Intellektuellen, die ihm unbequem sind in Gefrierkammern, um zu foltern ohne Spuren zu hinterlassen.

In diese Unruhen bin ich hineingeraten, allerdings war ich zu keiner Zeit in Gefahr, da das Goethe Institut mich sehr gut betreut hat.

Ich fand es sehr eindrücklich, dass ich den Mut der Menschen miterleben durfte, verfolge weiterhin was sich dort tut und spreche deswegen auch hier davon. Denn Europa darf nicht wegschauen, wenn es um Afrika geht. Wir sollten die mutigen Menschen im Sudan unterstützen, wenn wir nicht eine weitere Flüchtlingswelle haben wollen.

Schließlich sind wir eine Weltgemeinschaft, d.h. was dort passiert wird auf unser Leben Einfluss haben. Deswegen sollten wir über den Tellerrand schauen und überlegen, was wir jetzt konkret tun können.

Die Redaktion: Könnten Sie sich vorstellen, auch selber mal ein Kinderspiel zu erfinden?

Ute Krause: Auf jeden Fall. Eine gute Idee zu finden, ist natürlich am schwierigsten. Mein Lieblingsspiel ist Nobody is perfect. Man bekommt Worte, zu denen man eine Definition liefern muss. Das ist ein witziges und auch lustiges Spiel.

Da es auch sehr kreativ ist.

Die Redaktion: Sehr vielen Dank für das Gespräch.

Ute Krause: Sehr gern.

Biografie
Ute Krause, 1960 geboren, wuchs in der Türkei, Nigeria, Indien und den USA auf. An der Berliner Kunsthochschule studierte sie Visuelle Kommunikation, in München Film und Fernsehspiel. Sie ist als Schriftstellerin, Illustratorin, Drehbuchautorin und Regisseurin erfolgreich. Ihre Bilder- und Kinderbücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und für das Fernsehen verfilmt. Ute Krause wurde u.a. von der Stiftung Buchkunst und mit dem Ver.di-Literaturpreis ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. (Quelle Randomhouse)

Website der Autorin:https://www.ute-krause.com

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Das Magazin wurde im Mai 2016 gestartet, trotzdem kommen wir selber auf fast 15 Jahre Spielerfahrungen zurückblicken.