Angesagt – Marco Teubner

Bild Marco Teubner

Sehr geehrter Herr Marco Teubner,

Sie sind ein erfolgreicher Spieleautor. Nun haben Sie das Spiel Stone Age Junior entwickelt, welches auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres für das Kinderspiel steht.

Wie wird man eigentlich Spieleautor? Ist Spieleautor ein Lehrberuf?

Marco Teubner: Spieleautor ist kein Lehrberuf. Dennoch gibt es heute Möglichkeiten, sich gezielt auf diesen Beruf vorzubereiten. Allerdings muss man hier zwischen dem klassischen Spieleautor und dem Game Designer unterscheiden.

Während es für den Game Designer, dessen Arbeitsfeld die elektronischen und hybriden Spielformen sind, Studienfächer gibt, gibt es diese für den klassischen Spieleautor nicht. Hier sind eigentlich alle Spieleautoren Quereinsteiger. Ich selbst habe Kulturwissenschaften mit Pädagogik und Psychologie studiert. Mein Interesse an Spielen kommt aus einem spielbegeistertem Elternhaus und meiner Jugendzeit als leidenschaftlichen Rollenspieler.

Die Redaktion: Um was geht es in Stone Age Junior?

Marco Teubner: In Stone Age Junior geht es um die beiden Steinzeitkinder Jono und Jada, die in ihrem Dorf beim Aufbau neuer Hütten helfen. Wir Spieler haben die Aufgabe, für den Bau der Hütten verschiedene Dinge einzusammeln. Das Spiel knüpft dabei an das erfolgreiches Spiel Stone Age an. Als Kinderspiel hat Stone Age Junior allerdings einen anderen spielerischen Zugang als das große Stone Age.

Die Redaktion: Wie lange arbeitet ein Spieleautor an einem Spieltitel?

Marco Teubner: Das kann sehr unterschiedlich sein. Manchmal scheint es nicht mehr als ein paar Augenblicke, bis aus einem ersten Gedanken das fast fertige Spiel vor einem liegt. Allerdings passiert mir das nur sehr selten. Ich schätze, dass ich für eine durchschnittliche Spielentwicklung im Schnitt ein halbes Jahr brauche.

Bei Auftragsarbeiten sind es aber auch oft äußere Zwänge, die der Entwicklungszeit eine Frist setzen. Bei der freien Arbeit lege ich die Spiele in den verschiedensten Entwicklungsstadien auch gerne für längere Zeit zur Seite, um so wieder Abstand zu gewinnen. Da liegen sie manchmal Monate oder sogar Jahre lang und warten darauf, wieder aufgegriffen zu werden.

Die Redaktion: Sind Spiele für Kinder schwerer zu entwickeln als Spiele für Erwachsene?

Marco Teubner: Das ist eine schöne Variante dieser Frage. In der Regel werde ich gefragt, ob Kinderspiele nicht viel leichter zu entwickeln wären. Ich glaube die Antwort auf diese Fragen ist ein klares „weder noch“! Es ist einfach etwas anderes, Spiele für Kinder als für Erwachsene zu entwickeln. Bei Kinderspielen muss man die Entwicklungspsychologie des Kindes berücksichtigen.

Kinder schaffen noch nicht alles, können aber manche Dinge durchaus auch besser als Erwachsene. Kinder haben einen anderen Blick auf die Dinge, sie lassen sich aber auch sehr begeistern und haben eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Das sind nur ein paar Unterschiede.

Die Redaktion: Muss ein Spieleautor ständig einen Schreibblock mit sich führen, um schnell seine Ideen aufzuschreiben?

Marco Teubner: Vielleicht – ich kenne einige Kollegen, die das so machen. Ich mache das, auch auf die Gefahr hin, die eine oder andere Idee wieder zu verlieren, bewusst nicht so. Ich möchte mich stärker auf mein Gedächtnis und mein Unterbewusstsein verlassen.

Ich versuche, mir möglichst viel zu merken. Mein Gedächtnis ist ein erster Filter. Und selbst wenn ich die Ideen scheinbar vergesse, hoffe ich darauf, dass mein Unterbewusstsein die guten Ideen irgendwann schon wieder ins Gedächtnis ruft. Ich greife hier einen Gedanken von dem Neurowissenschaftler Prof. Dr. Spitzer auf, der in einem Vortrag sagte, man solle nicht ständig über Probleme nachdenken. Denn das würde nur sicher dazu beitragen, sie nicht zu lösen.

Bild Hans im Glück Verlag
Bild Hans im Glück Verlag

Die Redaktion: Wie sucht ein Verlag ein Spiel aus, das dann in das Verlagsprogramm aufgenommen wird?

Marco Teubner: Das müssten Sie den Verlag fragen. Wenn ich diese Frage hundertprozentig beantworten könnte, würde ich mit einem breiten Grinsen vor Ihnen sitzen. Ich kann also nur aus meiner Erfahrung und Intuition heraus versuchen, diese Frage zu beantworten. Verlage haben in der Regel sogenannte Programmplätze. D.h. sie haben bereits ein Sortiment an Spielen, die sie selbst in verschiedene Kategorien einteilen.

Sollte in einer dieser Kategorien ein Spiel aus dem Programm gehen oder der Verlag möchte diesen Bereich weiter ausbauen, so sucht er für diesen Programmplatz ein neues Spiel. Thematisch versucht der Verlag natürlich Lücken zu füllen und grundsätzlich eher neue unverbrauchte Themen aufzugreifen. Doch grundlegend ist immer noch die Qualität der Spielentwürfe.

Ein außerordentlich gutes Spiel wird in den meisten Fällen auch jenseits der Suchkriterien seinen Platz finden.

Die Redaktion: Wie lange hat es eigentlich gedauert, dass dieses Spiel veröffentlicht wurde?

Marco Teubner: Ich glaube es ist über zwei Jahre her, dass Moritz Brunnhofer vom Hans im Glück Verlag mich angesprochen hat. Am Anfang war das aber nicht viel mehr als ein Gedanke. Die Entwicklung eines ersten Spielentwurfs hat dann ca. ein halbes Jahr gedauert und vor etwa eineinhalb Jahren sind wir dann konkret in das Projekt gestartet.

Die Redaktion: Wie ist eigentlich der Alltag eines Spieleautors. Wird da nur gespielt, so nach dem Motto der „ganze Arbeitstag ist ein Spiel“?

Marco Teubner: Nein, das ist leider nicht so. Viele Arbeiten erinnern mehr an einen klassischen Bürojob. Man sitzt am Rechner und erledigt administrative Arbeiten. Die veröffentlichten Spiele müssen verwaltet, Lizenzen kontrolliert und Kontakte gepflegt werden.

Ein großer Teil ist die Zusammenarbeit mit den Verlagen bei aktuellen Projekten. Ich finde es wichtig und gut, dass die Autoren mit den Verlagen bei der Umsetzung der Prototypen eng zusammenarbeiten.

Schließlich war es der Autor, der lange Zeit mit dem Spiel gerungen hat und die eine oder andere Sackgasse in der Entwicklung erlebt hat. Diese Erfahrung sollte sich der Verlag zu nutze machen.

Die schönste und spannendste Arbeit ist die erste Phase bei der Entwicklung eines neuen Spiels. Wenn die Gedanken, Ideen und Skizzen zum ersten Mal zu einem Prototypen führen und die Vorstellung des zukünftigen Spiels noch sehr euphorisch ist. Daraufhin folgt der Teil, den man wahrscheinlich am meisten mit der Arbeit eines Spieleautors verbindet: es wird getestet und verworfen, gerungen, neu gefunden, ausprobiert, wieder verworfen, gezweifelt, kombiniert und kreiert.

Bild Hans im Glück
Bild Hans im Glück

Die Redaktion: Was geht in einem Autor vor, wenn man bei der Preisverleihung der Jury Spiel des Jahres auf die Bühne gebeten wird?

Marco Teubner: Noch kann ich Ihnen nicht sagen, was mir am 20. Juni durch den Kopf gehen wird. Da ich aber schon mehrmals nominiert war, kann ich Ihnen erzählen, was ich die Male zuvor erlebt habe. Es ist eine große Ehre, für das Kinderspiel des Jahres nominiert zu sein.

Es ist eine tolle Bestätigung der eigenen Arbeit. Die Vorstellung, den Preis tatsächlich auch gewinnen zu können, macht mich aber auch nervös. Denn leider ist es wie bei dem bekannten Abba-Songtext so: „The winner takes it all!“

Für die andern bleiben tolle Momente, eine großartige Veranstaltung und eine schöne Bestätigung der eigenen Arbeit. Aber wir sind Spieleautoren und wer wenn nicht wir kennt den bittersüßen Moment des Nichtgewinnens (in diesem Zusammenhang wäre es falsch von verlieren zu schreiben!).

Wir schütteln uns kurz, freuen uns mit dem Sieger und fordern eine Revanche. Ist das Leben nicht ein Spiel?

Die Redaktion: Was würden Sie jungen Menschen empfehlen, wenn diese auch gern Spieleautor werden wollen?

Marco Teubner: Ich würde ihnen sagen, dass sie eine tolle und spannende Zeit vor sich haben. Allerdings brauchen sie auch einen langen Atem. Es kann ein sehr langer Weg von der eigenen Idee zum fertigen Spiel im Laden sein.

Ein noch längerer Weg ist es, so viel zu veröffentlichen, dass die Einnahmen annähernd zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts reichen. Noch weiter führt der Weg, wenn, wie in meinem Fall, eine fünfköpfige Familie nicht nur spielen, sondern auch essen will.

Die Redaktion: Wie sind Sie zum Spielen gekommen?

Marco Teubner: (lachen) Soweit ich mich zurückerinnern kann, habe ich als Kind eigentlich schon immer gespielt. Welches Kind tut das nicht? Dann ist wohl in meiner Entwicklung etwas passiert, denn ich bin Kind geblieben. Ich glaube, ich bin also weniger zum Spielen gekommen, als vielmehr das Spielen mich nie verlassen hat.

Die Redaktion: An was können Sie sich dabei erinnern? Was war Ihnen aus heutiger Sicht dabei wichtig? Und was haben Sie als Kind mit Ihren Eltern gespielt?

Marco Teubner: Ich wollte als Kind den Dingen auf den Grund gehen, hinter den Vorhang sehen. Das hat beispielsweise auch dazu geführt, dass ich so manches elektronische oder mechanische Gerät aufgeschraubt habe. Blöd nur, dass nach dem Wiederzusammenbau meist die eine oder andere Schraube übrig blieb. Egal, das stumme Radio spielte für mich weiterhin die schönste Musik.

Auch liebte ich es, in allem ein Abenteuer zu sehen. So war das Müsli am Morgen oft eine abenteuerliche Reise eines Puffreiskorns in den Weiten des Milchozeans. Mein Löffel spielte die göttliche Naturgewalt. Ich glaube, ich verlebte die meiste Zeit meiner Kindheit in Fantasiewelten. Heute erwische ich mich leider manchmal dabei, dass ich meinen eigenen Kindern vorhalte: „träum’ nicht, mach’ weiter, …“

Dann fallen mir diese Momente meiner eigenen Kindheit ein. Wir Eltern sollten eines nicht vergessen: „Lasst die Kinder Kinder sein, lasst sie spielen, ihr eigenes Tempo haben und in ihren Fantasiewelten leben. Gebt ihnen den Freiraum sich zu entfalten. Das Wichtigste im Leben erlernen sie im Spiel.“

Die Redaktion: In Deutschland wird schon immer sehr viel gespielt. Wie können Eltern dabei das richtige Spiel für ihre Kinder finden?

Marco Teubner: Nehmt Kinder beim Spielen ernst. Sie merken es sehr schnell, ob wir echten Spaß zusammen mit ihnen haben oder ob wir innerlich abgelenkt sind. Überfordert Kinder im Spiel nicht. Kinder möchten im Spiel nicht fühlen „Das kann ich nicht“. Kinder sagen uns von sich aus, wann sie mit einer Sache durch sind, wann sie die nächste Stufe nehmen möchten.

Wer kennt das nicht, dass gerade kleine Kinder immer wieder die gleichen Geschichten hören und die gleichen Puzzle lösen wollen. Für Kinder besteht der spielerische Reiz gerade in der Wiederholung. Geht mit euren Kindern auf Fantasiereise. Ein gutes Spiel hat oft eine gute Geschichte. Diese Geschichte kann mehr sein als das Spiel an sich. Wer mit seinen Kindern in das Erleben eintaucht, wird merken, wie viel mehr ein Spiel dann werden kann.

Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?

Marco Teubner: Ich werde immer wieder gefragt, ob mir nicht irgendwann die Ideen ausgehen. Nein, mir geht wahrscheinlich eher die Zeit als die Ideen aus. Ich hoffe, dass ich in Zukunft wieder mehr Zeit finde, meinen eigenen Ideen nachzugehen. Und wenn einmal kurz der Kopf leer zu sein scheint, macht das auch nichts. Denn ich weiß ja, mein Unterbewusstsein arbeitet weiter.

Wir bedanken uns recht herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Ihr
Wilfried Just

Testbericht hier.

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Das Magazin wurde im Mai 2016 gestartet, trotzdem kommen wir selber auf fast 20 Jahre Spielerfahrungen zurückblicken.