Sehr geehrter Herr Stockhausen,
Sie sind Spieleautor und Verlagsleiter (dlp games). Aus Ihrer Feder stammen solche Spiele wie Freibeuter, Schwarze Löcher, Siberia oder Orléans, welches für das Kennerspiel des Jahres 2015 nominiert war. Wollten Sie eigentlich schon immer Spieleautor oder man könnte sagen, Spieleerfinder werden?
Herr Stockhausen: Nein, ich habe mich aber immer kreativ betätigt und es fällt mir schwer, im kreativen Bereich Abgrenzungen vorzunehmen. Schreiben, Malen, Fotografieren und Spiele erfinden, sind und waren teilweise Hobby, teilweise Beruf. Ich habe mir als Kind manchmal Spiele ausgedacht, nicht, weil ich den Berufswunsch hatte, sondern weil mir grad was einfiel.
Die Redaktion: Ihre Spiele zeichnen sich durch Tiefgang und Raffinesse aus. Wie lange dauert es, bis ein Spiel wie Orléans auf den Markt kommt? Also von der Idee im Kopf bis zum Druck.
Herr Stockhausen: Spiele entstehen oft – ebenso wie andere Produkte kreativen Schaffens – aus einer Art Chaos, das man in Form bringen muss. Insofern ist es schwierig, genaue Zeitangaben zu machen. Es gibt Elemente in Orléans, die ich schon seit über 15 Jahren verfolge.
Irgendwann verdichten sich die verschiedenen Elemente und wenn man dann über einen gewissen Zeitraum, der so zwischen einem halben und einem Jahr liegt, diszipliniert an dem Spiel arbeitet und testet, dann wird daraus was, was man auch auf den Markt bringen kann.
Die Redaktion: Muss ein Spieleautor ständig einen Schreibblock mit sich führen, um schnell seine Ideen aufzuschreiben?
Herr Stockhausen: Ich führe keinen Schreibblock mit mir, weil ich der Meinung bin, dass Ideen nur dann wirklich etwas taugen, wenn sie auch ohne Schreibblock wieder in den Gedanken auftauchen.
Die Redaktion: Was würden Sie jungen Menschen empfehlen, wenn diese auch gern Spieleautor werden wollen?
Herr Stockhausen: Die Frage bzw. das Problem ist eigentlich, womit man seinen Lebensunterhalt bestreiten will.
Wenn jemand gut geerbt hat, steht dem Berufswunsch Spieleautor ja nichts entgegen. Ansonsten sollten Außenstehende von künstlerischen Berufen grundsätzlich abraten. Wer sich trotz Widerstands aus seinem Umfeld nicht davon abhalten lässt, Spieleerfinder zu werden oder einen anderen künstlerischen Beruf zu ergreifen, ist sicher geeigneter als jemand, der erwartet, so etwas sozial abgesichert und mit geregelten Arbeitszeiten machen zu können.
Die Redaktion: Haben Sie als Kind mit Ihren Eltern gespielt?
Herr Stockhausen: Wir haben relativ wenig gespielt, da mein Vater viel unterwegs war. In der Familie kannten wir auch hauptsächlich nur Mensch ärgere dich nicht und Memory und das fand ich leider langweilig. Ich habe aber mit Freunden gerne gespielt, erst Monopoly, dann Doppelkopf, und später habe ich die faszinierende Welt der Brettspiele entdeckt.
Die Redaktion: An was können Sie sich dabei erinnern? Was war Ihnen aus heutiger Sicht dabei wichtig? Und was haben Sie als Kind mit Ihren Eltern gespielt?
Herr Stockhausen: Ich kann mich erinnern, dass wir mal in Schleswig-Holstein auf einem Bauernhof in Urlaub waren und im Zimmer gab es einen Schrank voller Spiele. Wir haben jeden Abend gespielt und das war großartig. Ansonsten wurde in der Familie ja nicht so viel gespielt, aber dieser Urlaub damals stand ganz im Zeichen der Spiele.
Ich habe da auch ganz neue und faszinierende Spiele (aus damaliger Sicht und aus der Sicht eines Zehnjährigen) kennen gelernt.
Eins hieß „Die große Auktion“, ein anderes „Lügendetektor“, das wir danach jahrelang vergeblich zu kaufen gesucht und nie gefunden haben.
Die Redaktion: Wenn Sie Kinder haben, was spielen Sie gemeinsam mit Ihren Kindern? Was macht das Spielen mit Ihren Kindern aus Ihrer Sicht aus?
Herr Stockhausen: Meine Kinder sind aus dem Alter raus, wo sie mit ihren Eltern spielen. Vermutlich habe ich sie auch zu oft mit meinen Prototypen gequält, so dass aus ihnen keine begeisterten Brettspieler geworden sind. Neben den Prototypen haben wir aber alles gespielt, was es so gibt.
Die Redaktion: Und da man ja nicht nur mit Kindern spielt, stellt sich die Frage, was Sie mit Ihren Freunden spielen?
Herr Stockhausen: Alles, was gut ist, oder verspricht gut zu sein. Bei den vielen Neuheiten werden Spiele meist nur einmal gespielt. Da ich sehr in meine eigenen Spiele – oder auch die meiner Autoren – involviert bin, spiele ich gar nicht so viele andere Spiele, auch, um mich nicht von anderen Spielen – auf welche Weise auch immer – zu stark beeinflussen zu lassen, wenn ein Spieleprojekt in die entscheidende Phase geht.
Die Redaktion: Heutzutage leiden alle unter Stress und Zeitnot. Dadurch haben oder besser gesagt, nehmen sich Eltern keine Zeit, mit ihren Kindern zu spielen.
Was würden Sie Eltern raten, wie wichtig es wäre, mit ihren Kindern zu spielen?
Herr Stockhausen: Dass heutzutage alle unter Stress und Zeitnot leiden halte ich ernsthaft für ein Gerücht. Die meisten Menschen haben heutzutage mehr Zeit als in früheren Generationen. Wenn jemand sagt, er habe keine Zeit zum Spielen, ist das eine Ausrede.
Es kommt drauf an, was einem wichtig ist und was nicht. Ich kann z.B. gut auf Fernsehen verzichten und auch wenn ich nicht gerne Ratschläge erteile, an dieser Stelle kann ich ja mal sagen: Schafft den Fernseher ab. Alles, was miteinander gemacht wird, ist besser als Berieselungskonsum. Also gemeinsam was unternehmen, sich unterhalten, gemeinsam spielen.
Die Redaktion: Wie sollten Eltern das passende Spiel für ihre Kinder finden? Haben Sie da einen Tipp, wie diese vorgehen sollten?
Herr Stockhausen: Aber noch besser: Sachen ausprobieren. Zum Beispiel auf der Spielemesse in Essen. Und dann schauen, was die Kinder begeistert. Auch, wenn die Eltern vielleicht nicht immer nachvollziehen können, was Kinder begeistert oder Spiele für zu wenig pädagogisch wertvoll erachten.
Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?
Herr Stockhausen: Ich möchte unbedingt nochmal nach Berlin fahren und mit einem großen Holzpöppel die Rückreise antreten. Aber Spaß beiseite, neben der Pflege von Orléans und allem, was rund um Orléans erschienen ist bzw. noch erscheinen wird, gibt es mehrere sehr schöne Projekte in der Anfangsphase, von denen das eine oder andere hoffentlich erscheinen wird.
Wir bedanken uns recht herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Zur Person
Reiner Stockhausen ist Spieleautor und -erfinder. Aus seiner Feder stammen Spiele wie Lübeck, Siberia und Freibeuter. Weiterhin ist er auch Geschäftsführer des Verlages DLP-Games.
Herr Stockhausen studierte Theaterwissenschaft und Philosophie.