Prof. Dr. Bernhard Hauser ist Professor an der PH St. Gallen und Leiter des Studiengangs „Early Childhood Studies“. Seit mehr als 20 Jahren bildet er Lehrpersonen, Erzieherinnen und Erzieher aus und erforscht als Projektleiter für spielintegrierte Frühförderung, wie kleine Kinder lernen. Im Interview berichtet Professor Hauser von seiner Forschung und erklärt, warum erste Spiele schon die Kleinsten gut auf das Leben vorbereiten.
Professor Hauser, aktuell legen Sie eine Studie zur „Spielintegrierten Mathematischen Frühförderung“ im Kindergarten vor. Was haben Sie dabei untersucht?
Bernhard Hauser: „Wir haben insgesamt 329 Kinder in 35 Kindergärten in jeweils drei Gruppen eingeteilt und die spielintegrierte Frühförderung mit einem aktuellen Training und herkömmlichen didaktischen Methoden verglichen.
Thema war der Aufbau des Zahlbegriffs von Fünf- bis Sechsjährigen. Die erste Gruppe, bestehend aus zwölf Kindergärten, nutzten dazu das mathematische Trainingsprogramm „Mengen zählen Zahlen“, die zweite Gruppe bekam Spiele wie „Halli Galli“ bzw. von uns selbst entwickelte oder adaptierte Spiele wie „Fünferraus“. Die dritte Gruppe erhielt als Kontrollgruppe keine besondere mathematische Förderung. Der Vergleich lief über acht Wochen, in denen die ersten beiden Gruppen dreimal pro Woche 30 Minuten mathematisch gefördert wurden.“
Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Bernhard Hauser: „Der Lernfortschritt bei der Gruppe mit der spielintegrierten Förderung war der beste. Die Kinder haben wesentlich mehr gelernt als die in der herkömmlich geförderten Vergleichsgruppe.
Beim Filmen haben wir festgestellt, dass die Kinder mit den Spielen viel länger mathematisch aktiv waren und sich mit ihren Spielkameraden häufiger darüber ausgetauscht haben als die anderen. Auch die Aufmerksamkeit für das Thema blieb bei diesen Kindern am längsten erhalten.
Spielend lernen Kinder also besser. Was bedeutet das?
Bernhard Hauser: „Wir wissen, dass Kinder mit sogenannten Vorläuferfähigkeiten Neues schneller erfassen können. Die spielintegrierte Förderung von Kindergartenkindern zeigt nachweislich eine große Wirkung z.B. auf ihr mathematisches Können in späteren Jahren. Weiter finden sich viele Hinweise dafür, dass Spiele neben Sachwissen zahlreiche Grundkompetenzen trainieren, die für das spätere Lernvermögen entscheidend sind.“
Welche Fähigkeiten sind das? Was lernen Kinder beim Spielen?
Bernhard Hauser:„ Natürlich kann man jede gewünschte Kompetenz ins Zentrum eines Spiels stellen, zum Beispiel sprachliche Fähigkeiten, Motorik oder das Zuordnen und Vergleichen.
Bei einem Spiel geht es aber schon einmal darum, sich auf eine Sache einzulassen, dran zu bleiben und eine persönliche Beziehung zum Spielpartner aufzubauen, ihn zu beobachten, ihn nachzuahmen, mit ihm zu kommunizieren. Das ist schon eine wichtige Aufgabe für kleinere Kinder mit zwei, drei Jahren.
Die große Attraktion in einem Spiel ist dann das Unvorhersehbare, wenn etwa mit einem Würfel oder gemischten Karten der Spielverlauf unberechenbar wird. Es fasziniert die Kinder, stellt sie aber gleichzeitig vor viele kleine Herausforderungen.
Im Spiel müssen sich die Kinder auf Dinge fokussieren, müssen handeln und Entscheidungen treffen, deren Konsequenzen es auszuhalten gilt, zum Beispiel wenn sie verlieren. Sind die Kinder älter, etwa ab vier Jahre, sind sie schon leistungsbereiter: Sie messen sich im Wettbewerb mit den anderen. Da können sich Hierarchien verändern, so dass sie sich anstrengen und ihre Fähigkeiten nutzen müssen.
Regelspiele erzeugen zudem einen Zwang, sich in die Mitspieler hineinzuversetzen, die Spielzüge der anderen zu beeinflussen. Es finden wahre Aushandlungsprozesse statt, dabei geht es auch um Chancengleichheit, ja sogar um Demokratie.
Dann sind Spiele ja geradezu Alleskönner?
Bernhard Hauser: „Spiele fördern Kinder immer, schon die Allerkleinsten, weil sie sich leicht an unterschiedliche Lernniveaus anpassen lassen und die Kinder im eigenen Tempo lernen können. Zum Beispiel mit Spielen wie „Mein erstes Mitmach-Spiel“, in dem die Kleinen mit viel Bewegung und Aktion an erste Regeln herangeführt werden.
Oder in „Mein Mäuschen-Farbspiel“, in dem sie mit mehreren Sinnen die vier Grundfarben entdecken. Ich kann Eltern nur empfehlen, aktiv mit ihren Kindern zu spielen und sie immer wieder von Neuem mit zunehmend schwierigeren Spielen herauszufordern.
Dabei legen sie wertvolle Grundkompetenzen an, die ihnen das Lernen in späteren Jahren erleichtert.“