von Gudrun Pausewang, gelesen von Laura Maire
Spätestens seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima ist der Anti-Atomprotest eine Massenerscheinung geworden.
Die vollständige Ablehnung der als gemeingefährlich empfundenen Methode zur Stromerzeugung ist nicht nur konsensfähig, sondern scheinbar auch allgemein anerkannter Teil der politischen Kultur geworden. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der Jugendroman „Die Wolke“ neu aufgelegt wurde.
Bereits vor der Katastrophe in Japan dürfte der Anti-Atomklassiker der Jugendliteratur einem breiten Publikum bekannt sein. Spätestens aber mit den Explosionen in den Reaktorblöcken 1 bis 4 des Atomkraftwerks in Fukushima ist das Buch hochaktuell und wird wohl so manchen Deutsch- und Sozialkundeunterricht bereichert haben.
Die Story dürfte hinlänglich bekannt sein: In dem Kernkraftwerk Grafenrheinfeld findet ein Super-Gau statt, der nicht nur alles Leben in der näheren Umgebung vernichtet sondern auch Tod, Leid und Krankheit über weite Strecken hin zu den Menschen transportiert. Mittendrin ist das junge Mädchen Janna-Berta, die sich zusammen mit ihrem Bruder auf die Flucht begibt, einem ungewissen Ende entgegen…
Die Debatte um das Für und Wider zum Thema Atomstrom ist uralt. Spätestens mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl gewann sie eine derartige Dauerbrisanz, dass sie sogar das Wahlverhalten eines Teils der Bevölkerung sowie die inhaltliche Ausrichtung verschiedener Parteiprogrammatiken beeinflusste.
Durch einen Wahrnehmungswandel in der Bevölkerung durch das Unglück in Fukushima wurde sogar der beschlossene Ausstieg aus dem Atomausstieg rückgängig gemacht. Wobei die so genannte Atomfrage dadurch noch nicht gelöst ist, denn der Rest Europas mag noch nicht auf den Atomstrom verzichten.
Der Streit um die Frage nach optimaler Stromerzeugung wird also die Energiedebatten noch lange beschäftigen, zumal der Ausstieg noch längst jederzeit widerrufen werden kann und möglicherweise negative Nebeneffekte hervorruft (höhere Energiepreise etc.).
Vor allem für Schulklassen bietet sich ein solches Thema an, um politische Diskussionen näher zu beleuchten. Zum einen ist die Debatte vergleichsweise populär, zum anderen sind die Konsequenzen (im Verhältnis zu anderen Kontroversen) greifbar.
Dennoch dürfte auch dieses Thema vergleichsweise schwierig zu diskutieren sein, zumal es in der Regel sehr polarisierend besprochen wird. Das wiederum führt schnell dazu, dass Schüler, die kein so großes Interesse an politischer Diskussion mit sich führen, sich gedanklich ausklinken wollen. Insbesondere um einem solchen Prozess entgegenzuwirken ist „Die Wolke“ sehr gut geeignet.
Sie legt besonders für diese Schüler einen Zugang zur Diskussion, wenn auch einen sehr emotionalen. Das allerdings bringt auch einige Probleme mit sich, denn es stellt sich schon die Frage, ob eine sachlich geführte Debatte dann noch möglich ist…
Insbesondere dem Lehrer (aber auch anderen Multiplikatoren) kommt die Aufgabe zu, etwas aus dieser Einführung zum Thema „zu machen“. Das bedeutet im Einzelnen, das Interesse an derlei Problematiken (im politischen und gesellschaftlichen Raum) zu stärken ohne einer Meinungsbildung vorweg zu greifen.
Das bedeutet unter anderem auch, den Schüler nach dem sehr emotionalen Zugang zum Thema wieder auf Distanz zu bringen und zum eindringlichen Nachdenken anzuregen. Abgesehen davon ist das Buch ein Stück weit auch der zeitgenössischen Jugendliteratur zuzurechnen und sollte vor allem deshalb in keinem Bücher- oder CD-Regal fehlen.
Viele Gegner des Atomstroms dürften wohl durch die Lektüre des Buches maßgeblich geprägt worden sein, auch bietet die Handlung und Herangehensweise des Buches eine Möglichkeit, die heutige Emotionalität der Diskussion nachzuvollziehen.
Die atmosphärisch sehr dichte Erzählweise wird durch das Können der Sprecherin noch zusätzlich aufgewertet. Sie verleiht den einzelnen Charakteren Leben und der Handlung eine zusätzliche Dynamik, die auch bei eher unpolitischen Lesern ein gewisses Interesse wecken dürfte. Die Story jedenfalls reißt mit und dürfte kaum jemanden kalt lassen, schon allein die atmosphärische Interpretation der Erzählerin dürfte dies verhindern.
Fazit
„Die Wolke“ ist ein Klassiker und in dieser Fassung auch noch sehr gut in Szene gesetzt. Aus unserer Sicht ist das Hörbuch – auch im Hinblick auf den sehr moderaten Preis von 7€ – eine echte Empfehlung sowie eine großartige Bereicherung für die heimische Bibliothek!
Das gilt allerdings auch mit der Einschränkung, dass dieses Buch selbst einen sehr einseitigen (atomkritischen) Zugang bietet. Lehrer und Eltern sind also angehalten, den Leser zum Weiterdenken zu animieren und den Leser zu einer gewissen Distanz zu verhelfen, ansonsten verpufft der Lerneffekt…
„Die Wolke“ ist bei silberfisch erschienen und im Handel für knapp 7€ erhältlich. Der Genuss des Hörbuches ist ab einem Alter von ca. 14-15 Jahren zu empfehlen. (S.Ziegler)