Angesagt – Rainer Maria Schießler

Foto von Rainer M Schiessler/ Bildrechte Random House Verlag und © Susanne Krauss

Sehr geehrter Herr Rainer Maria Schießler,
Sie sind katholischer Pfarrer und arbeiten im Herzen von Bayern, in München als Pfarrer.

Nebenher schreiben Sie oder arbeiten für den guten Zweck im Festzelt während der Wiesen.

Und nebenbei haben Sie sogar eine eigene Talkshow im Fernsehen. Jetzt erscheint Ihr neues Buch „Jessas, Maria und Josef“.

Die Redaktion: Wenn ich an einen katholischer Pfarrer denke, fällt mir sofort, verzeihen Sie mir bitte, Pfarrer Braun ein. Wie viel Pfarrer Braun steckt in Ihnen?

Rainer Maria Schießler: „Hübsch häßlich“, sagte der legendäre Heinz Rühmann als Pfr. Braun, als er vor dem Bourlesque Lokal stand, in den Aushang blickte und gefragt wurde, wie er das alles findet.

Das verbindet mich mit Pfr. Braun: eine gewisse Schlitzohrigkeit, gepaart mit einer bayerischen Schlagfertigkeit und der festen Überzeugung, genau meinen Beruf als Pfarrer gefunden zu haben.

Ich bin total zufrieden mit meinem Leben.

Die Redaktion: Um was geht es in „Jessas, Maria und Josef“?

Rainer Maria Schießler: Ich erzähle einen Tag aus meinem neuen Lebensalltag seit dem ersten Buch, bin wieder mal unterwegs zu einer meiner vielen Auftritte mit Vortrag und Lesung aus meinem Buch, beschreibe die damit verbundenen Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Mühe und Anstrengung, die das auch bedeutet.

Viel ist passiert seit 2016 auf allen wichtigen Gebieten der Kirche von Ökumene über Homoehe und Interkommunion zwischen Protestanten und Katholiken bis hin zu glutenfreien Hostien. Und es wird auch sehr emotional im Buch bei der Nottaufe eines kleinen Kindes.

Alle diese Dinge sind wie eine Katharsis, wie eine Fastenzeit für meine Kirche, darum beginnt das Buch mit einem Schlüsselerlebnis an einem Faschingsdienstag und spannt den Bogen bis zur Osternacht.

Unsere Kirche muss endlich bereit sein für die Fastenzeit, um Ostern, Auferstehung auch als Kirche zu erleben! Mehr will ich nicht verraten!

Bild Random House

Die Redaktion: Pfarrer zu sein ist doch eine Berufung. Wie sind Sie Pfarrer geworden? Und was war für Sie der Grund, dies zu machen?

Rainer Maria Schießler: Ganz einfach, weil wunderbare Menschen mir Kirche so vorgelebt haben, dass ich spürte, das könnte dein Leben sein! Ich wurde nie und zu nichts gezwungen, durfte mich in alles, was Kirche ausmacht, frei verlieben, und wollte nicht mehr loslassen.

Verkündiger des Evangeliums zu sein ist ein großartiger Beruf, aber nur wenn es dir so auch angeboten wird. Ich hatte das große Glück, das seit Jahrzehnten vielen jungen Leuten verwehrt wird.

Wir hantieren mit einer Theologie und Sexualmoral, die uns keiner mehr abnehmen wird, sind nicht bereit, endlich zuzuhören und nicht sofort mit Vorschriften zu kommen und denken auch nicht daran, selbst nach diesem Missbrauchsskandal, Strukturen und Formen in unserer Kirche zu ändern.

Die Quittung kriegen wir tagtäglich und reagieren immer noch nicht. Jessas, Maria und Josef, kann ich da nur sagen.

Die Redaktion: Sie sind ja ein waschechter Bayer und man weiß, dass der liebe Gott sich in Bayern wahrscheinlich mehr Zeit genommen hatte (meine persönliche Meinung), aber könnten Sie sich eigentlich vorstellen, woanders als Pfarrer zu arbeiten?

Rainer Maria Schießler: Überall auf der Welt, wenn´s für alle Beteiligten (Gläubige, Bischof und v.a. mir) Sinn macht. Ich bin hierher geboren und zu Hause, fühle mich pudelwohl, denke aber nicht, dass es eine Vorstufe zum Paradies ist, wie Horst Seehofer ständig proklamiert.

Heimat ist ein von Liebe durchwehter Raum. Das ist einig richtig und kann überall sein. Aber ohne Menschen keine Heimat!

Die Redaktion: Wir sind ein Kinderspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?

Rainer Maria Schießler: Oh ja, v.a. erziehungstechnisch: Mensch ärgere dich nicht, denn Verlieren können ist überlebenswichtig! In unserer Siedlung waren wir unzählige Kinder, gingen alle in den Kindergarten, spielten im Hof, kamen auf die Schule und sonntags trafen wir uns in der Kirche.

Ernst und Spiel waren immer eng miteinander verbunden. Und im Spiel erlebten wir unsere schöpferische, kreative, Leben schaffende Kraft. Die Phantasie konnte so unendlich viel gestalten.

Darum ist auch das Schauspiel eine so hohe Kunst: Sie macht weiter mit all dem, was wir nach dem Erwachsenwerden vom Kindsein viel zu schnell ablegen.

Die Redaktion: Was war Ihnen dabei wichtig, wenn Sie mit Ihren Eltern oder Geschwistern gespielt haben?

Rainer Maria Schießler: Da gibt’s doch kein Ranking, alles hatte seine eigene Prägung. Das Spiel mit den Eltern war immer etwas bedeutsames, ein nicht alltägliches Tun.

Es hob das Spiel selbst auf ein hohes Niveau: Erwachsene, die spielen – eine Sensation für uns Kinder! Das Spiel mit meinem Bruder war eine Selbstverständlichkeit und das mit den Freunden eine ganz normale Entwicklungsstufe.

Wichtig bei allen Spielen war und ist: Der sich festigende Selbstwert aller Beteiligten. Spiele funktionieren nur dann richtig, wenn es eben nur Gewinner gibt, schon allein weil sie mitmachen, aber keine Sieger, weil andere auf der Strecke bleiben müssen! So ist das Spiel die perfekte Erziehung des Lebens.

Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?

Rainer Maria Schießler: Ich schließe niemals jemanden aus, würde aber gerne die erleben, die so augenscheinlich schlecht zurückstecken können in ihrem Leben: machthungrige Politiker, karrieresüchtige Kirchenleute, ewig jung gestählte Schauspieler, Sportler ohne Altersgrenze, also da gäbe es viele. Ich habe da keine persönliche Präferenz.

Die Redaktion: Welches Spiel spielen Sie am liebsten? Und was spielen Sie heute mit Ihren Freunden

Rainer Maria Schießler: Es gibt zwei Spiele, die mich seit Jahrzehnten erfreuen: Als Kartenspiel „Whist“, eine cooles Kartenspiel, das wir im Priesterseminar mal erfanden, oft nächtelang spielten und ich schon mit großem Erfolg vielen Jugendlichen beibrachte, und natürlich als begeisterter Orientale Back Gammon, ein Brettspiel mit arabischen Wurzeln.

Beide Spiele brauchen Überblick, Konzentration und Taktikgefühl, dann wird’s gemütlich!

Die Redaktion: Schummeln Sie auch gern mal im Spiel?

Rainer Maria Schießler: Sehr ungern, ich möchte ja auch nicht beschummelt werden. Gerade das Spiel ist der Lernweg zu Fairness im Leben. Dann verliere ich halt mal, aber das Tolle ist doch: Es geht weiter! Ein neues Spiel beginnt.

Nichts geht verloren oder wird zerstört. Wenn wir das halt lernen könnten für unser Miteinander: ich muss dich nicht zerstören. Viel wichtigere Dinge warten noch auf uns im Leben! Finde die richtige Gewichtung, dann wirst Du glücklich sein!

Foto von Rainer M Schiessler/ Bildrechte Random House Verlag und © Susanne Krauss

Die Redaktion: Könnten Sie sich vorstellen, auch selber mal ein Spiel zu erfinden?

Rainer Maria Schießler: Wie gesagt: „Whist“, da hat das schon mal geklappt. Gerne kann ich Euch das mal beibringen.

Die Redaktion: Welches Spielthema würde Sie dann reizen?

Rainer Maria Schießler: Es ist für mich wichtig wie im Sport: Dass wir nach dem Spiel uns die Hände reichen und ohne uns Schaden zufügen zu müssen weiter miteinander umgehen können.

Nur wer das Spiel und die richtige Haltung dafür ganz in sich aufgenommen hat, kann auf Gewalt, Krieg und Hass getrost verzichten.

Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?

Rainer Maria Schießler: Ich möchte einfach nur weiterhin so glücklich bleiben und noch vielen begeisternden Menschen begegnen.

Autorenvita

Rainer Maria Schießler, geboren 1960, ist katholischer Pfarrer. Schießler gilt durch unkonventionelle Seelsorge und teilweise medienwirksame Aktionen als einer der bekanntesten Kirchenmänner in Deutschland. Sein Anliegen: Mit zugespitzten Appellen aufrütteln und für eine lebhafte, engagierte Kirche eintreten.

Seit 1993 ist er Pfarrer in St. Maximilian in München, im Jahr 2011 übernahm er auch die Münchner Heilig-Geist Gemeinde am Viktualienmarkt. Von 2006 bis 2017 arbeitete Schießler immer wieder im Schottenhamel-Zelt des Münchner Oktoberfestes als Bedienung. (Quelle Random House)

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Das Magazin wurde im Mai 2016 gestartet, trotzdem kommen wir selber auf fast 20 Jahre Spielerfahrungen zurückblicken.