Sehr geehrte Frau Irmgard Partmann,
Sie sind Autorin und Sie haben im Coppenrath Verlag das Kinderbuch „Lilly gehört dazu!“ verlegt. Das Besondere dabei ist, dass sich dieses Kinderbuch mit dem Thema Downsyndrom beschäftigt.
Die Redaktion: Für jemanden, der Sie nicht kennt, könnten Sie sich bitte einmal kurz vorstellen?
Irmgard Partmann: Mein Name ist Irmgard Partmann. Ich bin ein Kind der Sechziger. Ein Sonntagskind. Als kleines Mädchen wollte ich Cowgirl werden. Daraus wurde leider nichts, denn eines Tages endete mein Ritt auf einem Pferd mit einem gebrochenen Fuß.
Meine Kindheit und Jugend habe ich mit Büchern und Spielen verbracht. Nach meinen ersten Schreibversuchen in den Siebzigern sagte ich zu meiner Mutter: „Ich schreibe ein Buch und werde Schriftstellerin“. Bis dahin war es aber noch ein langer Weg.
Es sollten noch fast dreißig Jahre vergehen bis zu meiner ersten Veröffentlichung.
Heute lebe ich mit meinem Mann und unserer Katze Tiger in einem kleinen Ort nahe der holländischen Grenze. Zur Familie gehören auch drei erwachsene Kinder, die das Nest schon verlassen haben.
Hauptberuflich arbeite ich einem Kinderhospiz im Bereich Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit. Mein Ausgleich zu meiner Arbeit ist meine schriftstellerische Tätigkeit. Seit 2003 schreibe ich Bücher für Kinder und Erwachsene.
Mittlerweile sind mehr als 40 Werke aus meiner Feder erschienen, und es ist noch kein Ende in Sicht.
Die Redaktion: Es ist außergewöhnlich, dass eine Autorin oder ein Autor solch ein Thema aufgreifen. Was hat Sie dazu bewegt, das Thema Downsyndrom aufzugreifen? Und könnten Sie bitte so nett sein, einen kleinen Einblick in die Geschichte geben?
Irmgard Partmann: Mein Anliegen war es nicht, ein Buch zum Thema Downsyndrom zu schreiben. Ich habe versucht, das kleine Mädchen Lilly in den Mittelpunkt zu rücken, nicht ihre Behinderung.
Ich wollte ein fröhliches, Mut machendes Buch zum Thema Behinderung und Inklusion schreiben mit einer einfachen Botschaft. Diese lautet: Die Welt ist voller Menschen, die anders sind. Wir alle sind verschieden, und das ist ganz normal.
Lilly ist ein fröhliches, liebenswertes Mädchen. Sie steht stellvertretend für alle Menschen mit Behinderung, ganz gleich ob geistiger oder körperlicher Natur.
Für ihre große Schwester ist die kleine Lilly mit den Mandelaugen perfekt, genauso wie sie ist. Niemand kann alles.
Wie bei jedem anderen Kind gibt es Dinge, die Lilly nicht kann.
Aber es gibt auch jede Menge Dinge, die sie kann. Lilly hat ihren festen Platz in der Familie. Lilly ist mal fröhlich, mal bockig, mal langsam, mal übermütig, mal lustig, mal verschmust – genau wie ihre Schwester.
Die Redaktion: Mit Ihrem Buch unterstützen Sie Eltern, so dass diese mit ihren Kindern über das Thema sprechen können. Sollten Eltern dabei behutsam herangehen?
Irmgard Partmann: Ich glaube, wenn Eltern ihren Kindern von Anfang an erklären, dass Menschen sich voneinander unterscheiden, z.B. durch Hautfarbe, Statur, Haarfarbe etc. und auf Beobachtungen und Fragen der Kinder behutsam reagieren, so hat das einen positiven Einfluss darauf, wie ein Kind über Behinderungen denkt und wie es sich anderen gegenüber verhält.
Je unbefangener Eltern mit dem Thema umgehen, umso mehr fördern sie die Akzeptanz und Einbeziehung von Menschen mit Behinderung.
Die Redaktion: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Autorin zu werden?
Irmgard Partmann: Das Schreibfieber hat mich schon als Zwölfjährige gepackt. Damals habe ich Pferdegeschichten geschrieben und sie meinem jüngeren Bruder vorgelesen. Ich habe immer davon geträumt, später Kinderbuchautorin zu werden.
Die Redaktion: Sie schreiben sehr viel für Kinder. Sind Geschichten für Kinder schwerer zu entwickeln als Geschichten für Erwachsene?
Irmgard Partmann: Viele Menschen glauben, dass es doch nicht so schwierig sein könne, ein Kinderbuch zu schreiben. Einfache Worte, eine nicht allzu komplexe Handlung, und schon ist eine nette Geschichte geschrieben.
Doch so einfach ist es nicht.
Es verlangt viel Feingefühl, eine gute Geschichte zu schreiben, die Kinder begeistert. Dazu muss man die Welt mit Kinderaugen sehen. Als Autor sollte man niemals belehren, und es ist wichtig, dass sich ein Kind mit der Hauptfigur identifizieren kann.
Die Redaktion: Wir sind ein Kinderspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?
Irmgard Partmann: Ich bin in einer Familie mit fünf Brüdern aufgewachsen. Tagsüber haben wir draußen herumgetollt. Unser Bauernhof war ein riesiger Abenteuerspielplatz.
Dort konnte man prima auf Bäume klettern, Kirschen vom Baum essen, im Heu schlafen, Fußball spielen und Buden bauen. Abends spielten wir Karten, Mensch ärgere dich nicht oder Mühle.
Vom Ältesten bis zum Jüngsten saßen wir am Esstisch und haben gespielt. Damals konnte ich noch nicht so gut verlieren. Das musste ich erst lernen.
Die Redaktion: Was war Ihnen dabei wichtig, wenn Sie mit Ihren Eltern oder Geschwistern gespielt haben?
Irmgard Partmann: Es war einfach schön, gemeinsam Zeit zu verbringen. Wir haben geplaudert, es fand ein lebendiger Austausch statt. Durch das gemeinsame Spiel wurde unser Heim für alle ein Ort der Geborgenheit.
Heute sitzen viele Familien schweigend am Tisch und jeder starrt auf sein Handy. Das ist sehr schade.
Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?
Irmgard Partmann: Astrid Lindgren, Dalai Lama, Anne Frank, Neil Armstrong, Lukas Podolski.
Die Redaktion: Welches Spiel spielen Sie am liebsten? Und was spielen Sie heute mit Ihren Freunden?
Irmgard Partmann: Ich spiele sehr gerne Phase 10, Scrabble, Kniffel, Tabu, Outburst und natürlich die Klassiker „Mensch ärgere dich nicht“, Monopoly und Mühle. Auch Kartenspiele wie UNO, Doppelkopf und Mau-Mau sind bei uns beliebt.
Die Redaktion: Was schätzen Sie am gemeinsamen Spiel?
Irmgard Partmann: Spielen fördert die Gemeinschaft. Klar möchte man gerne gewinnen. Beim Spiel lernt man aber auch, mit Niederlagen umzugehen. So steigt die Frustrationstoleranz.
Das kann auch für unser tägliches Leben hilfreich sein, um mit Enttäuschungen besser umzugehen. Spiele fördern zudem die Motorik, Koordination und Impulskontrolle. Gemeinsames Spielen macht einfach Spaß.
Die Redaktion: Könnten Sie sich vorstellen, auch selber mal ein Spiel zu erfinden?
Irmgard Partmann: Warum nicht? Wer weiß? Vielleicht kommt mir ja noch mal die zündende Idee…
Die Redaktion: Welches Spielthema würde Sie dann reizen?
Irmgard Partmann: Generell reizen mich Spiele mit Wörtern oder Buchstaben. Wortschatz kombiniert mit Reaktionsgeschwindigkeit.
Die Redaktion: Wenn Sie eine Sache auf der Welt verändern dürften, was wäre das?
Irmgard Partmann: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Natürlich würde ich die Welt gerne ein wenig friedlicher machen.
Mir ist aber klar, dass man die Welt nicht mit einem Mal aus den Angeln heben kann. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass man nicht unbedingt Geld und Macht braucht, um die Welt positiv zu verändern.
Wenn jeder Einzelne bei sich selbst anfängt und sich täglich kleine Dinge vornimmt, um die Welt ein bisschen friedlicher, nachhaltiger und glücklicher zu machen, würde das schon zu großen Veränderungen führen.
Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?
Irmgard Partmann: Ich arbeite laufend an neuen Projekten. Aber leider enden nicht alle Ideen in einem Buch, sondern oftmals auch in der Schublade. Aktuell arbeite ich an einem Kinderbuch, das das Thema Demenz eines Großelternteils aufgreift.
Ich wünsche mir, dass mir die Ideen nicht ausgehen und ich noch bis ins hohe Alter schreiben kann. Ich möchte schreiben, weil Abwarten und Teetrinken mir nicht genügt.
Erschienen im Verlag Coppenrath