Kinderärztin im Gespräch: So wichtig ist Körperkontakt für Babys

Bildrechte Mattel/ Celine Schlager

Sehr geehrte Frau Dr. med. Celine Schlager,

Wie fördert Körperkontakt und Kuscheln die körperliche Entwicklung  des Babys?

Dr. med. Celine Schlager : „Positive Effekte zeigen sich schon vor der Geburt, wenn die Eltern Kontakt mit dem ungeborenen Baby aufnehmen. Direkt nach der Geburt hat sich gezeigt, dass das Baby durch Körperkontakt seine Körpertemperatur besser regulieren kann, seltener unter Atemproblemen leidet und die Blutzuckerwert stabiler sind. Babys, die viel Kuscheln, schreien im Durchschnitt  weniger und schlafen ruhiger.

Die Anpassung an die Außenwelt wird insgesamt einfacher für die Kleinen. Aber auch langfristig profitieren Kinder davon, regelmäßig in  den Arm genommen zu werden. Denn durch Streicheleinheiten wird Stress  abgebaut. Kinder springen tagsüber wild durch die Gegend, sie sind motorisch angespannt.

Durch sanfte Berührungen zwischendurch können sie herunterkommen. Dem Gehirn wird signalisiert, dass jetzt Zeit für etwas Ruhe ist, Nervenverbindungen werden geschlossen und der Körper dadurch entspannt.

Studien haben zusätzlich ergeben, dass diese Kinder nicht so oft krank sind, wie Kinder, die wenig körperliche Zuwendung bekommen. Ursächlich dafür ist das Glückshormon Oxytocin, das beim Kuscheln ausgeschüttet wird und das Immunsystem stärkt.“

Wie fördert Körperkontakt und Kuscheln die kognitive Entwicklung des Babys?

Dr. med. Celine Schlager : Wenn das Kind von Beginn an Geborgenheit erlebt, so kann es Urvertrauen entwickeln. Denn Nähe schafft Vertrauen – zu sich selbst und in die Umwelt. Studien zeigen, dass Kinder, die in ihren ersten Lebensjahren Liebe und Fürsorge von ihren Bezugspersonen erfahren haben, mit größerer Wahrscheinlichkeit zu widerstandsfähigen und glücklichen Erwachsenen werden.

Sie haben ein starkes Selbstbewusstsein und ausgeprägtes Empathieempfinden anderen gegenüber. Wer sein Kind regelmäßig in den Arm nimmt, hilft ihm, sich sicher zu fühlen. Das Kind spürt: Ich werde gesehen; ich bin gut, so wie ich bin. Kuscheln hilft dadurch dem Kind ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen.

Kinder die körperliche Zuwendung erfahren, entwickeln außerdem anderen gegenüber ein starkes Zugehörigkeitsgefühl. Sie wissen, dass sie sich auf Andere verlassen können und fühlen sich nicht als Außenseiter.

Davon profitieren auch ihre späteren Beziehungen: Kinder mit ausgeprägter Kuschelerfahrung können als Erwachsene offen ihre Zuneigung und Liebe schenken. Zusätzlich zeigen sich positive Effekte bezüglich des Intelligenzquotienten, sowie des Lern- und Sozialverhaltens. Kindern mit fehlendem Urvertrauen, haben es in dieser Hinsicht häufig etwas schwerer.

Wie fördert Körperkontakt und Kuscheln die Eltern-Kind-Bindung?

Dr. med. Celine Schlager : „Durch das Kuscheln werden Bindungshormone ausgeschüttet. Hierdurch wird die Stillbeziehung unterstützt. Aber auch insgesamt können sich Mama und Papa besser auf das Kind und umgekehrt einstellen. Es entsteht eine Symbiose. Eltern lernen dadurch leichter, auf die Gefühle und Bedürfnisse ihres Kindes angemessen zu reagieren.

Durch Körperkontakt und Kuscheln fühlen wir uns außerdem emotional ausgeglichener. Kuscheln und Nähe schafft Zuversicht für die Eltern; gerade in der Anfangszeit kann das durchaus notwendig sein.“

Was kann man tun, um die Eltern-Kind Bindung zu stärken?

Dr. med. Celine Schlager : „Grundlegend stärkt es die Eltern-Kind-Bindung, wenn man in Kontakt mit seinem Baby bleibt. Optimalerweise beginnt dies schon vor der Geburt, z.B. mit dem Hand auf den Bauch legen, dem Sprechen mit dem Ungeborenen oder auch Vorsingen. Nach der Geburt kann man diese positive Einstellung dann stärken, indem man Rituale schafft und schöne Momente ausbaut.

Das muss jedoch nichts Ausgefallenes sein: Aufmerksamkeit und gedanklich ganz für das Kind da zu sein schafft hierbei die Basis. Wichtig für das Kind sind auch Blickkontakt sowie die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern. Hier bieten sich dann Kuscheln oder gemeinsame Aktivitäten super an.

Gemeinsam mit dem Kind die Welt entdecken, Zeit zusammen verbringen und angemessen auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren, das ist, was eine gute  Eltern-Kind-Bindung stärkt. Hilfreich können außerdem sein:

  •  Direktes Bonding nach Geburt
  •  Tragen (im Tragetuch)
  •  Babymassagen
  •  Gemeinsames Singen/Spielen/Baden
  •  Kuscheln/Körperkontakt/Nähe
  •  Stillen
  •  (Körperliche und seelische) Zuwendung“

Macht es einen Unterschied, ob die leiblichen Eltern oder andere Personen, bspw. Adoptiveltern, Großeltern, Geschwister, etc. mit dem Kind kuscheln?

Dr. med. Celine Schlager : „Kinder brauchen grundsätzlich Nähe und Geborgenheit. Wichtig ist, dass sie dieses Bedürfnis befriedigt bekommen.

Wenn das statt der leiblichen Eltern, andere ihnen vertraute Personen machen, ist das für die Kleinen völlig in Ordnung. Entscheidend ist, dass die Personen dem Kind vertraut sind in Geruch, Stimme und Aussehen. Solch ein Vertrauen baut sich langsam auf.

Leibliche Eltern habe die Möglichkeit dieses Vertrauen schon im Mutterleib aufzubauen, indem sie mit dem Kind sprechen. So sind die Stimmen dem  Baby schon vertraut. Andere Bezugspersonen, z.B. Geschwister oder Großeltern, können dies je nach Gelegenheit auch schon während der Schwanger schaft tun. Falls diese Möglichkeit nicht besteht, kann eben nach der Geburt langsam das Vertrauen aufgebaut werden, indem viel Zeit gemeinsam ver bracht wird.

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So lernt auch die Bezugsperson, welche Bedürfnisse das Kind hat und wie diese angemessen befriedigt werden können. Zum Beispiel, ob  das Kind gerade das Bedürfnis hat, zu Kuscheln und damit Zuneigung und Nähe zu spüren, oder ob es vielleicht doch nicht die richtigen Umstände sind. Meist zeigen die Kinder direkt, ob sie sich wohl fühlen und ob es ihnen guttut.“

Worauf sollte man achten, beim Kuscheln mit dem Baby? Kann man das  Baby mit der eigenen Zuneigung überfordern?

Dr. med. Celine Schlager : „Säuglinge brauchen viel Liebe und Körperkontakt. Eltern sollten sich daher von ihren Gefühlen leiten lassen – keine Angst, Babys können in den ersten Lebensmonaten nicht verwöhnt werden.

Die Angst vor dem Verwöhnen steckt tief in unseren Köpfen. Dabei hat die Bindungsforschung längst bewiesen: Auf Babys sofort zu reagieren, wenn sie weinen, sie also hochzunehmen, zu tragen und zu trösten hat keinerlei negative Folgen und befördert im Gegenteil das Entstehen einer sicheren Bindung, die fürs Leben  trägt. Die Gewöhnung daran, dass Bezugspersonen prompt und feinfühlig  auf ihre Bedürfnisse reagieren, ist jedoch die Basis für eine sichere Bindung.

Mit wachsender Hirnreife lernen Kinder im Alter von ca. 5-7 Jahren Perspektivübernahme und können sich dadurch besser in andere Menschen hineinversetzen. Bis zu diesem Alter sind Kinder naturgemäß egozentrisch veranlagt und an der eigenen Bedürfnisbefriedigung interessiert.

In der Regel zeigen Babys sehr gut, ob sie gerade das Bedürfnis nach Nähe verspüren und kuscheln möchten. Meist lernen die Eltern ziemlich schnell,  was ihr Kind gerade braucht. Hier ist es wichtig, auf die Reaktionen des Kindes (beim Kuscheln) zu achten.

Dreht sich das Kind weg, ist unruhig, gähnt oder weint sogar, dann ist es in diesem Moment dem Kind vielleicht zu viel oder es möchte eine andere Beschäftigung. Auch wenn die Kinder sehr müde oder reizüberflutet sind, kann inniges Kuscheln vielleicht geradenicht erwünscht sein. Manchmal ist es einfach nicht der optimale Moment zum Kuscheln, weil eben andere Bedürfnisse wie Schlaf oder Hunger Vorrang haben.

Dann sollte das Kuscheln auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden. Trotzdem möchte das Kind in der Regel dann nicht alleine gelassen werden, sondern die Anwesenheit von der Bezugsperson spüren.

Dies kann zum Beispiel durch Reden, Tragen, Singen, Spielen oder Schaukeln geschehen; je nachdem, was das Kind eben gerade möchte. Wie so oft gilt hier bei den Kleinen: die Bedürfnisse wahrnehmen und respektieren.“

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