Frau Dr. habil. rer. nat. Gabriele Haug-Schnabel zur Faszination Kakerlaken und Dunkelheit

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Sehr geehrte Frau Frau Haug-Schnabel,

Sie krabbelt und wuselt, flitzt blitzschnell um die Ecke, gerade noch in sicherer Entfernung geglaubt, ist sie plötzlich da und – igittt! – hat die Kakerlake einen erwischt! Die Rede ist vom Star des Kinderspiele-Klassikers „Kakerlakak“ mit dem kleinen Mini-Roboter, der die Kinder gleichzeitig

erschreckt wie erfreut. Warum ist ausgerechnet eine Riesen-Kakerlake für die Kleinen das Größte? Dr. habil. Gabriele Haug-Schnabel ist Verhaltensbiologin und Ethnologin und kennt sich mit der kindlichen Gefühlswelt und menschlichen Verhaltensweisen aus.

Im Interview erklärt sie, warum wir Ekel empfinden, was für Kinder daran so interessant sein kann und was die Dunkelheit mit ihnen macht.

Frau Haug-Schnabel, warum ekeln wir Menschen uns vor bestimmten Dingen, wie zum Beispiel Kakerlaken?

Frau Haug-Schnabel: „Jeder Mensch entwickelt schon früh im Laufe seines Lebens Abneigungen und Ekel vor Gegenständen oder Tieren, die ihm unheimlich vorkommen. Das ist ein angeborener Schutzmechanismus.

Er hält uns von allem fern, was uns krank macht oder schaden könnte. Echte Kakerlaken sind zum Beispiel keineswegs harmlos, denn sie können bei fehlender Hygiene zu Krankheitsüberträgern werden. Außerdem sind eklige Lebewesen ja schon beim Drandenken unangenehm. Noch schlimmer wird es, wenn wir sie berühren müssen, etwa um sie von uns fernzuhalten.

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So wie diese Kakerlake, die mir in der Hektik des Spiels begegnet. Gerade diese kleinen, wuseligen Tiere sind es, die völlig unerwartet aus einem Versteck auftauchen und ebenso hektisch wieder verschwinden.

Und genau dieses Unerwartete, der Überraschungsmoment, mit dem wir nicht gerechnet haben, erschreckt und verunsichert uns“.

Die Redaktion: Trotzdem sind gerade die Kinder von der Jagd auf die Kakerlake fasziniert. Was macht für sie den Reiz des Spiels aus?

Frau Haug-Schnabel: „Damit diese Faszination entsteht, braucht es ein bestimmtes Spielambiente: Ein Wohlgefühl trotz herausfordernden Situationen.

Im Spiel können sich die Kinder in einem geschützten Rahmen dieser besonderen Herausforderung stellen, zuhause mit Eltern und Geschwistern oder mit vertrauten Fachkräften im Kindergarten oder der Schule.

Die Kakerlaken im Spiel haben einen großen Vorteil: Sie sehen freundlich, lieb, vielleicht ein bisschen frech aus. Und sie haben – im Gegensatz zu den echten Insekten – große, munter lächelnde Kulleraugen.

Trotzdem ist ein individuell verschiedenes Maß an Überwindung nötig, um in dieses spannende und gleichzeitig herausfordernde Spiel mit der Kakerlake einzusteigen. Die „Sensation Seeker“ sind schnell dabei. Aber diese Abenteuerlust ist nicht bei allen Kindern in gleichem Maße vorhanden.

Die Faszination von etwas Unheimlichem, vielleicht sogar ein bisschen Ekligem ist für manche Mädchen und Jungen eine große Herausforderung. Dies ist auch nicht automatisch eine Frage des Alters, sondern der tagesaktuellen Balance und des jeweiligen Befindens.“

Die Redaktion: Welche Rolle spielt Dunkelheit für Kinder? Warum gruseln sie sich einerseits davor, machen aber im Spiel mit größter Begeisterung das Licht aus?

Frau Haug-Schnabel: „Die Antwort ist ganz einfach: Weil sie nicht allein sind! Eine bekannte Umgebung und vertraute Mitspieler geben den Kindern das Gefühl von Sicherheit und Stabilität, das ihnen den Schritt ins Unbekannte, ins Abenteuerliche ermöglicht.

Nur mit diesem Rückhalt und in der Gemeinschaft mit den Mitspielenden ist es für Kinder erträglich, wenn das Licht ausgeht und plötzlich alles ganz anders und gruselig schimmert. Das ist dann für sie wie eine gemeinsame Mutprobe: zusammen schaffen wir das!“

Dr. habil. rer. nat. Gabriele Haug-Schnabel
Verhaltensbiologin und Ethnologin, lehrt Kindheitspädagogik an der EH Freiburg und der Universität Salzburg. Gründerin und Leiterin der Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM)

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Das Magazin wurde im Mai 2016 gestartet, trotzdem kommen wir selber auf fast 20 Jahre Spielerfahrungen zurückblicken.