
Sehr geehrter Herr Thilo Reffert,
Sie sind Dramatiker, Hörspielautor und Kinderbuchautor. Ursprünglich haben Sie Medizin studiert und sind dann auf Theaterwissenschaften gewechselt.
Ihre persönlichen nicht aber beruflichen Wurzeln liegen in Sachsen-Anhalt.
Die Redaktion: Für die Leute, die Sie noch nicht kennen, wie würden Sie sich beschreiben?
Thilo Reffert: Wenn Sie im Supermarkt einen Mann sehen, der das Wiedereinpacken der Waren vom Kassenband sorgfältig vorbereitet und bei dem dann trotzdem alles wüst im Korb landet, das bin ich.
Und die Tiefkühltüte an der Kasse ist meine, die habe ich dort vergessen.
Die Redaktion: Eine ihrer letzten Produktionen trug den Titel Faustinchen. Können Sie einen kleinen Einblick in die Geschichte geben?
Thilo Reffert: Faustinchen ist die Tochter von Heinrich und Agnes Faust. Faust hat Agnes auf dem Osterspaziergang kennengelernt, weil der Teufel seinen Termin verschwitzt und der bekannte Spaziergang mit Wagner etwas anders ausgeht.
Bei mir kommt der Teufel zehn Jahre zu spät, deshalb hat Faust ein Kind, das – nach drei Teilen – schließlich seine Rettung ist.
Die Redaktion: Wie kommt man auf diese Idee, Kinder an Faust heranzuführen und wie sind Sie dabei auf Johanna Faust gekommen?
Thilo Reffert: Oh, es sollte erst Fäustchen sein. Aber dann fiel uns auf, dass bei Goethe überall Männer am Werk sind: Gott, Mephisto, Faust – alles Männer.
Und für die Frauen bleiben bloß die Hexe und die Geliebte. Und da ich mich mit Töchtern sowieso besser auskenne, haben wir aus dem geplanten Fäustchen ein Faustinchen gemacht.
Heute kann ich es mir nicht mehr anders vorstellen.

Die Redaktion: Das Besondere an dem Hörspiel ist, so empfinde ich es, dass man das Gefühl hat, mitten in einer Probe zu sitzen. Ist dies Absicht?
Thilo Reffert: Ich kannte Robert Schoen schon von einer früheren Arbeit, da war ich bei ihm im Studio und spielte den Autor der Geschichte, also mich selbst.
Das war natürlich eine gute Voraussetzung für diese Ebene des Hörspiels. Ich habe dann für Faustinchen einige Sequenzen geschrieben, aber Robert hat auch viel improvisiert – das macht es so authentisch, wunderbar.
Die Redaktion: Wie muss man sich einen Tag mit Ihnen im Studio vorstellen? Man muss doch so viele Leute einweisen und darauf achten, dass jeder das Richtige macht. Wie schaffen Sie so etwas?
Thilo Reffert: Das ist Roberts Arbeit – allgemeiner gesprochen, die Arbeit des Regisseurs. Und der hat dabei auch Hilfe, durch die Regieassistenz, das Besetzungsbüro und so weiter. Ich als Autor bin nur ausnahmsweise im Studio.
Die Redaktion: Wie kann man Kinder und Jugendliche für Literatur über das Medium Hörbuch begeistern?
Thilo Reffert: Ich glaube, dass Hörbücher und Hörspiele ein Interesse an Geschichten wecken können. Und solche Geschichten findet man dann auch in Büchern.
Die Redaktion: Wir sind ein Kinderspielmagazin und versuchen Erwachsene dazu zu bewegen, mit ihren Kindern zu spielen, weil dies für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Was wurde bei Ihnen zu Hause gespielt?
Thilo Reffert: Die ganzen alten Sachen, Mühle, Halma, Dame, auch Würfelspiele wie Pasch (also Kniffel) oder Kartenspiele, Rommee zum Beispiel. Das hört sich jetzt schrecklich alt an, aber so war es: Man konnte mit ganz wenig Zeug praktisch ewig spielen.
Die Redaktion: Was war Ihnen dabei wichtig, wenn Sie mit Ihren Eltern oder Geschwistern gespielt haben?
Thilo Reffert: Ich war immer froh, wenn auch etwas Glück mit im Spiel war, denn bei Skat oder Schach hat man als junger Spieler kaum eine Chance. Später waren mir dann diese Spiele die liebsten.
Die Redaktion: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, Persönlichkeiten aus der jetzigen Zeit oder aus der Geschichte zu einem Spiel einzuladen, wer dürfte an Ihrem Tisch Platz nehmen?
Thilo Reffert: Nachdem ich jetzt die lebenslange Beschäftigung mit dem Faust-Stoff bei Goethe nachvollzogen habe, hätte ich gern den jungen und den alten Goethe bei mir zu Gast, alle beide. Keine Ahnung, ob wir dann spielen würden …
Die Redaktion: Welches Spiel spielen Sie am liebsten? Und was spielen Sie heute mit Ihren Kindern oder Freunden?
Thilo Reffert: Diese Woche haben wir gescrabbelt und Schach gespielt, so Enkelin und Oma gegen Vater und Tochter, etwas retro, aber sehr schön.
Die Redaktion: Schummeln Sie auch gern mal im Spiel?
Thilo Reffert: Nie. Nein, nie stimmt nicht. Ich habe beim Mau-Mau schon Siebenen auf der Hand behalten, statt sie zu legen. (Ich hoffe, das lesen meine Kinder nicht!)
Die Redaktion: Könnten Sie sich vorstellen, auch selber mal ein Spiel zu erfinden?
Thilo Reffert: Nein, vor dieser Aufgabe habe ich zu viel Respekt. Ich bewundere Spiele-Erfinder, wirklich, das sind richtige Spaß-Ingenieure.

Die Redaktion: Auf welche Frage hatten Sie in letzter Zeit keine Antwort?
Thilo Reffert: Auf diese 😉
Die Redaktion: Was planen Sie für die Zukunft?
Thilo Reffert: Ich hoffe, dass Faustinchen auch die Bühne erobern wird. Dafür muss es natürlich komplett umgearbeitet werden.
Infobox
Thilo Reffert wurde 1970 in Magdeburg geboren. Er studierte zunächst Medizin, schwenkte dann aber zu Theaterwissenschaften und Neuerer deutscher Literatur um und arbeitete als Dramaturg und Theaterpädagoge.
Seit 2001 schreibt er selbst Theaterstücke und arbeitet parallel als Hörspielautor (u. a. „Radio Tatort“ des MDR). Im Jahr 2010 wurde er mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden und 2011 mit dem Kinder-Hörspielpreis ausgezeichnet. Zudem ist Thilo Reffert als Kinderbuchautor tätig. (Quelle Der Hörverlag)