Interview mit Kirsten Boie zur Sommerby-Reihe

Foto © Indra Ohlemutz

Die Redaktion: Woher kam die Idee zu „Sommerby“?

Kirsten Boie: Die Idee zu Sommerby ist mir an der Schlei gekommen. Ich habe eines Tages in einer kleinen Stadt in der Gegend auf einem Steg gestanden und gegenüber lag auf einer Landzunge so ganz einsam ein kleines Haus. Da sind mir die ersten Sätze zu Sommerby eingefallen.

Die Redaktion: Worum geht es im ersten Band von „Sommerby“?

Kirsten Boie: In Sommerby reisen drei Geschwister völlig unvorbereitet und unerwartet zu ihrer Oma, die sie bis dahin aufgrund eines Familienzwists nicht gekannt haben. Die Mutter hatte in New York einen Unfall und der Vater muss ganz ganz schnell hinfliegen. Er hat keine Möglichkeit die Kinder irgendwo unterzubringen und schickt sie deshalb zu dieser Oma.

Und da erleben sie einen Alltag, wie sie in bis dahin überhaupt nicht gekannt haben. Nachdem sie sich zu Anfang überhaupt nicht so leicht tun, leben sie sich doch einigermaßen schnell ein und sind sehr glücklich.

Die Redaktion: Was ist die besondere Herausforderung für die drei Geschwister?

Kirsten Boie: Anstelle ihres Lebens in der Stadt erleben sie nun das Leben in der Natur und dieses Leben in der Natur ist für die Kinder natürlich eine völlig neue Erfahrung, auch mit völlig neuen Herausforderungen.

Z.B. ist die Oma eines Tages nicht in der Lage, in die Stadt zu fahren, um ihre Marmeladen abzugeben und da fahren die Kinder alleine mit dem Boot über die Schlei. Sie hätten sich das selbst vielleicht gar nicht zugetraut, aber sie schaffen das und tanken dabei natürlich auch unglaublich viel Selbstvertrauen.

Bild Oetinger

Die Kinder geraten ja in eine Situation, in der sie all die Medien, die sie zuhause nutzen, nicht mehr zur Verfügung haben. Und ich schildere, wie sie sich nicht nur daran gewöhnen, sondern wie sie das immer mehr zu lieben beginnen.

Die Redaktion: Was waren die schönsten Reaktionen von Leser*nnen auf „Ein Sommer in Sommerby“?

Kirsten Boie: Da gab es so vieles und ganz Unterschiedliches! Am meisten gefreut hat mich, dass ich Post und Mails von Menschen aller Altersgruppen bekommen habe – von Großeltern oder Eltern (ja, auch von Männern!), die das Buch zuerst für Enkel oder Kinder, dann aber für sich selbst gelesen hatten, ebenso wie von Achtjährigen, die mir lange Briefe geschrieben haben (ja, auch Jungs!) – und oft mit der Bitte nach einer Fortsetzung.

Dass ein Buch eine so breite Leserschaft erreicht, fand ich überraschend und ich habe mich enorm gefreut. Geplant war das ja nicht! Bei einer Lesung in einem Literaturhaus saß in der ersten Reihe einmal ein kleines Mädchen, fünf Jahre; und als ich eine hoch dramatische Stelle vorgelesen habe – Martha, Mikkel und Mats sind in Seenot – sprang sie auf und rief gleich zweimal laut in den Saal:

„Enes rettet sie gleich! Enes rettet sie gleich!“ Da wusste ich: Auch mit fünf kann man die Geschichte schon verstehen – und spannend finden. (Aber ich empfehle sie noch nicht für dieses Alter!)

Die Redaktion: Worum geht es im 4. Sommerby Band?

Kirsten Boie: Oh, das ist nun eine ganze Menge! Vielleicht also einfach mal die Hauptgesichtspunkte? Ausgerechnet der kleine Mats versteckt über Ostern ein Mädchen, das von zu Hause ausgebüxt ist; Mikkel hat mit einem jungen Fuchs und einem kleinen Kaninchen viel zu tun – und lernt dabei gleich einiges dazu; und Martha hilft mit in dem Restaurant „Schnasselbude“, weil Enes` Mutter einen Unfall hatte – zu viel will ich hier mal lieber nicht verraten.

Dass auch alle anderen Personen aus „Sommerby“ mitspielen und ihre Aufgaben haben, muss ich ja vielleicht gar nicht erzählen. Ich hoffe einfach, das Buch ist so in etwa das, was die „Sommerby“-Leser von einem Abschlussband erwarten – für mich jedenfalls ist damit die Serie abgeschlossen, mit einem weinenden Auge.

Die Redaktion:  Was ist Ihre liebste Jahreszeit?

Kirsten Boie: Das kann ich gar nicht sagen! Natürlich sind Frühling, Sommer und Herbst mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten, die Natur zu zeigen – und das tun die „Sommerby“- Bücher ja! – alle auf ganz eigene Weise schön; und der Winter mit Schnee und Eis ist dann fast schon ein Kontrapunkt. Aber welche mir nun die Liebste ist? Keine! Da bin ich ganz froh, dass ich in den vier Bänden die Möglichkeit hatte, alle vier Jahreszeiten zu erzählen; im neuen Band eben das Frühjahr.

Die Redaktion: Wird es weitere Sommerby-Bände geben?

Kirsten Boie: Nein! Und das mit Überzeugung. Ich weiß, ich habe da bei anderen Büchern manchmal zu schnell nein gesagt, und (zu meiner eigenen Überraschung!) ist dann plötzlich doch noch eine Fortsetzung aufgetaucht.

Aber bei „Sommerby“ bin ich mir wirklich ganz sicher. Die vier Jahreszeiten sind in den vier Bänden erzählt, die Probleme sind geklärt (soweit das im Leben eben möglich ist) – nein, das ist jetzt wirklich der letzte „Sommerby“- Band, und das finden dann, glaube ich, auch die Leser:innen gut. Ich jedenfalls kann mich nun von „Sommerby“ verabschieden – wenn auch, natürlich, mit einer klitzekleinen Träne im Auge!

Die Redaktion: Gegen ihren Willen hält der technische Fortschritt bei Oma Inge Einzug und die Eltern von Martha, Mats und Mikkel bringen einen Fernseher mit. Die Installation von Internet und WLAN wird ebenfalls diskutiert. Gerät Sommerby dadurch nicht in Gefahr?

Kirsten Boie: Darüber habe ich lange nachgedacht. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es in Sommerby für immer so medienarm bleiben würde, wenn die Familie erst einmal häufiger kommt.

Das hätte ich unrealistisch gefunden – und selbst im Idyll wünsche ich mir Realismus. Aber ich hatte beim Schreiben nie das Gefühl, dass irgendetwas sich dadurch grundsätzlich ändert. Das Sommerby-Erlebnis ist für Kinder so intensiv, dass alles andere dagegen kaum eine Rolle spielt. Es gibt so vieles in der aktuellen Wirklichkeit zu tun, dass für anderes kaum Raum bleibt!

Die Redaktion: Nicht nur die Kinder haben sich in ihren ersten Sommer in Sommerby verändert und viel dazu gelernt, auch Oma Inge hat sich verändert. Sie ist fast fürsorglich geworden. Hat Oma Inge Sie überrascht?

Kirsten Boie: Alle meine Figuren überraschen mich ab und zu! Sonst würde das Schreiben ja keinen Spaß machen. Aber gerade Oma Inge ist, finde ich, rundum und in jeder Beziehung ganz sie selbst geblieben; schon im ersten Band hat sich doch gezeigt, dass unter ihrer rauen Schale wenn nötig ein weiches Herz schlägt.

In diesem Band erfahren wir aber mehr über sie – auch darüber, warum sie wurde, wie sie ist. Und wir bekommen die Chance, mit ihr zu fühlen, als sie zum ersten Mal hilflos ist und keine Möglichkeit mehr sieht, ihr Zuhause zu behalten.

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